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Körperspende - Alternative zum Begräbnis

, aktualisiert am

Bei einer Körperspende kommt der Leichnam nicht gleich unter die Erde oder ins Krematorium, sondern zunächst auf den Seziertisch der Medizinischen Universität. Wer sich für diese Option entscheidet, muss zu Lebzeiten eine entsprechende Willenserklärung abgeben. Die Preisangaben stammen aus dem Jahr 2008.

Unterschiedliche Beweggründe

Der eine macht es, weil er seine Hinterbliebenen nicht finanziell belasten will. Der andere, weil er der Medizin einen Dienst erweisen möchte. Der dritte, weil er der Ansicht ist, dass er mit seinen vielen Krankheiten sicherlich für die Wissenschaft ein interessantes Studienobjekt ist.

Zu Studien- und Lehrzwecken

Die Rede ist von der sogenannten Körperspende. Menschen erklären, dass nach ihrem Tod das Anatomische Institut der Medizinuniversität zu Studien- und Lehrzwe­cken über ihren Körper verfügen kann. Das ist möglich, weil das Selbstbestimmungsrecht auch über den Tod hinausreicht. Der Leichnam kommt auf den Seziertisch, damit Medizinstudenten den Aufbau des mensch­lichen Körpers nicht nur in Lehrbüchern, sondern auch am Objekt studieren können.

Rechtzeitig verfügen

Wer sich dafür entscheidet, sei es aus pragmatischen oder aus altruistischen Gründen, muss eine entsprechende Willenserklärung abgeben. Möglich ist das beim Anatomischen Institut in Wien, Graz oder Innsbruck. Viele machen den Fehler, dass sie ihre Verfügung nur im Testament festhalten. Doch das wird unter Umständen erst geöffnet, wenn der Leichnam schon begraben ist – und dann ist es zu spät.

Kostenbeitrag ist zu entrichten

Die entsprechenden Formulare für eine Körperspende sind bei den Anatomischen Instituten der Medizinuniversitäten erhältlich. In Wien ist auch ein Kostenbeitrag zu leisten. 2008 lag er bei 450 Euro, jetzt (2023), wie uns ein Leser berichtet "werden von der MedUni Wien 990 Euro" verlangt. In der Steiermark muss die Überführung des Leichnams nach Graz bezahlt werden. (Details finden Sie bei den Adressen der Anatomischen Institute.) Sind die Formalitäten erledigt, erhält der Spender eine Bestätigung und ein Spenderkärtchen, das er stets bei sich tragen sollte. „Bitte unterrichten Sie Ihre Angehörigen von Ihrer Absicht der Körperspende“, heißt es im Informationsblatt des Wiener Instituts.

Stirbt der Spender, übernehmen die Anatomischen Institute alle erforderlichen Schritte, von der Überführung bis zur Beisetzung. Früher war die Körperspende auch in Wien kostenlos, das ist sie nicht mehr, doch nach wie vor kommt diese Verabschiedung so günstig wie keine andere.

Widerruf immer möglich

Widerruf immer möglich

Die Verfügung zur Körperspende kann jederzeit widerrufen werden, und zwar ohne Angabe von Gründen. Allerdings nur vom Unterzeichner selbst, nicht von den Hinterbliebenen. Genauso wenig können Angehörige einen Leichnam dem Anatomischen Institut vermachen.

Körperspende beruht auf Freiwilligkeit

Jahrhundertelang war eine Sektion verboten. Die Unversehrtheit des Körpers galt als heilig und eine Leichenöffnung als „unreine Arbeit“, ja sie wurde mit Seelentötung gleichgesetzt. Diese Ansicht schwand in dem Maße, in dem die Kirche an Einfluss verlor und die Medizin sich als bestimmende Wissenschaft behaupten konnte. In der Neuzeit wurden Sektionen zunächst an armen Menschen und Verbrechern durchgeführt – an „unehrlichen Leuten“, bei denen, wie man meinte, der Tabubruch nicht so schwer wog. Dass die Körperspende auf Freiwilligkeit beruht, ist eine zivilisatorische Errungenschaft jüngeren Datums.

Wegen Überfüllung geschlossen

Die Medizininstitute in den skandinavischen Ländern und auch in Deutschland haben heute noch Schwierigkeiten, ausreichend Körperspenden zu erhalten. Anders in Österreich, vor allem in Wien. Dem Wiener wird ein recht entspanntes, wenn nicht sogar inniges Verhältnis zum Tod nachgesagt. Und daran scheint etwas Wahres zu sein. 2003 musste das Wiener Anatomische Institut sogar einen Annahmestopp verhängen, weil sich zu viele Körperspenden im Haus angesammelt hatten.

Adressen

Adressen

Institut für Anatomie der Medizinischen Universität Graz
Harrachgasse 21
8010 Graz
Tel. 0316 380-4210
Fax 0316 380-9620 (oder -9621)

Angenommen werden Körperspenden nicht nur aus der Steiermark, sondern auch aus Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und dem Burgenland. Achtung: Liegt der Sterbeort außerhalb von Graz, müssen die Angehörigen für die Überführung des Leichnams durch einen Bestatter aufkommen.

Division für klinisch funktionelle Anatomie
Müllerstraße 59
6020 Innsbruck
Tel. 0512 9003-71111
Fax 0512 9003-73112

Angenommen werden Körperspenden aus Tirol und Vorarlberg. Es fallen keinerlei Kosten an, außer die Angehörigen wünschen statt der Beisetzung auf dem Gräberfeld der Anatomie eine Bestattung im Familiengrab.

Zentrum für Anatomie und Zellbiologie
Währinger Straße 13
1090 Wien
Tel. 01 401 60 - 37 551 oder 37 540

Angenommen werden Körperspenden aus Wien, Niederösterreich, Oberösterreich (nur bis in den Großraum Linz) und dem Burgenland. In der Pauschale von derzeit 450 Euro ist auch die Überführung des Leichnams inkludiert.

Interview: "Achtsamer Umgang"

Gespräch mit Univ.Prof. Dr. Helmut Gruber, Vorstand des Zentrums für Anatomie und Zellbiologie, Medizinische Universität Wien

Das Anatomische Institut erhält Körperspenden. Was machen Sie damit?

Gruber: Zunächst schauen wir, in welchem Zustand der Leichnam ist. Wurde er vielleicht längere Zeit ohne Kühlung aufbewahrt? In dem Fall kann es sein, dass wichtige Organsysteme schon zerstört sind. Diese Körperspende ist für uns dann nicht mehr wertvoll. Wir müssen weiters prüfen: Liegt auch keine ansteckende Infektionskrankheit vor wie Aids oder Hepatitis? Wenn doch, können wir aus Gründen der gesundheitlichen Sicherheit den Leichnam nicht annehmen.
Trifft keiner der Ausschließungsgründe zu, konservieren wir die Leiche zunächst. Wir injizieren über das arterielle System eine Konservierungslösung, das dauert mehrere Stunden. Anschließend kommt die Leiche in ein Konservierungsbad, für etwa ein halbes Jahr.

Ist die Leiche präpariert, kommt sie auf den Seziertisch. Warum ist diese Arbeit am Objekt so wichtig für Medizinstudenten?

Gruber: Die Studenten lernen den Aufbau des menschlichen Körpers kennen, von den oberflächlichen bis in die tieferen Schichten. Und vor allem lernen sie, dass nicht alles so ist, wie im Lehrbuch beschrieben, dass Varietäten, Abweichungen von der Norm, ganz selbstverständlich vorkommen. Hier kann sich der angehende Chirurg einen Überblick verschaffen, wie die Bauchhöhle schichtweise aufgebaut ist – später kann er das nie wieder. Denn am lebenden Menschen lässt sich nicht experimentieren.

Was darf im Seziersaal gemacht werden – und was gerade nicht?

Gruber: Die Studenten dürfen während des Sezierens nicht essen und nicht trinken. Sie dürfen auch keine Musik hören oder Witze machen. Der achtsame Umgang mit dem Leichnam ist uns sehr wichtig.

Vor wenigen Jahren hat ein Fall in Graz Aufsehen erregt: Leichen wurden bei Autocrashversuchen eingesetzt. Deckt sich das mit dem wissenschaftlichen Auftrag?

Gruber: Ich wurde damals auch von dem Versuchsunternehmen gefragt, ob ich Leichen zur Verfügung stellen könnte. Meine klare Antwort: Nein! Ein Mensch spendet seinen Leichnam nicht dem Anatomischen Institut, damit er gegen eine Betonwand gefahren wird!

Wie lange bleiben die Körperspenden im Anatomischen Institut?

Gruber: Das kann man nicht pauschal sagen. Manchmal einen Monat, manchmal ein Jahr. Ist das Praktikum vorüber, wird der Leichnam ins Krematorium überführt und seine Asche auf dem Gräberfeld des Anatomischen Instituts auf dem Zentralfriedhof beigesetzt. Es sei denn, Angehörige wünschen eine andere Beisetzung, beispielsweise im Familiengrab. Dann kommen wir diesem Wunsch nach. Einmal im Jahr führen wir eine Gedenkfeier in der Luegerkirche am Wiener Zentralfriedhof zu Ehren jener Verstorbenen durch, die uns ihren Körper zur Verfügung gestellt haben.

Buchtipp Todesfall regeln

Ein lieber Mensch ist gestorben. Zum Schock und der Trauer über den Verlust kommen viele Sorgen und noch mehr Pflichten. Welche Amtswege müssen erledigt, welche Formalitäten eingehalten werden? Sterben ist in Österreich kostspielig. Hat man nicht rechtzeitig vorgesorgt und fürs eigene Begräbnis angespart, wird es für die Erben teuer. Angehörige sind oft fassungslos, was eine Beerdigung hierzulande kostet: Der Tod ist nach wie vor ein gutes Geschäft.

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