Zum Inhalt

Leihski - Einstellungssache

  • Europas Wintersportregionen auf dem Prüfstand
  • Skiausrüstung mit gefährlichen Mängeln
  • Verletzungen sind vorprogrammiert

Ski fristen die meiste Zeit ihres Lebens ein Schattendasein. Das ganze Jahr über werden sie in einer Kellerecke gelagert, benützt werden sie üblicherweise nicht öfter als 5 bis 6 Tage pro Saison. Auch passionierte Skifahrer fragen sich, ob sich denn die Anschaffung einer teuren Skiausrüstung überhaupt lohnt. Mieten statt kaufen liegt europaweit im Trend. Leihski – zu Hause bestellt, vor Ort abgeholt – garantieren zudem einen stressfreieren Urlaub. Man erspart sich Lagerung, Pflege und Transport der Skiausrüstung und kann jedes Jahr ein neues Modell ausprobieren.

Viele Probleme

Leider gibt es in der Praxis viele Probleme mit dem Leihmaterial. Denn die von den Verleihorganisationen hervorgestrichenen bestens gewarteten Topmodelle sind teuer und nicht immer ohne Vorbestellung erhältlich. Dem Normalverbraucher wird in der Regel schlechtere Qualität angeboten, oft werden Ski- und Schuhmodelle speziell für den Verleih hergestellt. Diese zeichnen sich in der Regel durch nur durchschnittliche Fahreigenschaften, dafür eine sehr hohe Lebensdauer aus. Daneben werden Auslaufmodelle oder überhaupt veraltetes Material aus dem Bestand angeboten.

Jede zweite Bindung falsch eingestellt

Zahlreiche Beschwerden über den schlechten Zustand von Leihski waren Anlass für diesen breit angelegten Test. In einer internationalen, von der EU-Kommission mitfinanzierten Kooperation wurden 353 Sportgeschäfte in bekannten Skiregionen der Alpenländer einer Prüfung unterzogen. In einem Testbus wurde die ausgeliehene Skiausrüstung (für zwei Männer, eine Frau und zwei Kinder) an Ort und Stelle unter die Lupe genommen. Im Vordergrund dabei stand die Überprüfung von Sicherheitsmerkmalen.

In Österreich wurden schwerpunktmäßig Skiorte in Tirol und benachbarten Regionen ausgewählt: In 72 Sportgeschäften zwischen Lech in Vorarlberg und Lofer in Salzburg wurden unsere Tester vorstellig. In der Tabelle sind die Detailergebnisse aus dem Arlberg- und aus dem Kitzbühler Gebiet wiedergegeben, sie sind durchaus repräsentativ für die Gesamtheit der in Österreich getesteten Geschäfte.

Die Qualität der Ausrüstung ist zumeist ausreichend, wenngleich in einigen Fällen arge Mängel festgestellt werden mussten: die Skimodelle veraltet (Carver sind fast ein Privileg), die Kanten schlecht geschliffen oder stumpf, die Schnallen der Schuhe schließen schlecht, der Innenschuh verformt oder mit Geruch behaftet. Bedenklich wird es, wenn die Qualitätsmängel ein Sicherheitsrisiko darstellen, also etwa Ausbuchtungen oder Grate in den Kanten – sie können den Ski unfahrbar machen; eine verformte oder aufgeraute Schuhsohle behindert die Auslösung der Skibindung; ein verschmutztes oder klebriges Plättchen im Gleitbereich (unter dem Fußballen) erhöht den Reibungswiderstand. Der Zustand der Ausrüstung muss natürlich im Zusammenhang mit dem Preis gesehen werden. Doch wie sich zeigt, erreicht auch eine Skiausrüstung, für die über 300 Schilling pro Tag zu zahlen ist, kaum mehr als durchschnittliche Qualität.

"Nicht zufriedenstellend"

In 35 von 72 österreichischen Geschäften, also in jedem zweiten Fall, stellten die festgestellten Mängel ein hohes Sicherheitsrisiko dar, so dass das Urteil nur „nicht zufriedenstellend“ lauten konnte. Ursache dafür waren allerdings selten Abnützungserscheinungen am Material, in erster Linie lag es an der falsch eingestellten Sicherheitsbindung.

Und dafür haben wir kein Verständnis. Eine korrekte Bindungseinstellung sollte auch bei einem preiswerten Angebot selbstverständlich sein. Das gilt umso mehr, wenn man sich die Zahlen aus der Unfallstatistik vergegenwärtigt. Eine empirische Studie des Institutes „Sicher Leben“ über „Risikofaktoren beim Ski fahren“ schätzt, dass beim Ski fahren in Österreich rund 71.000 Unfälle passieren. Das Verletzungsrisiko beträgt somit rund 1 Prozent. In 56 Prozent der Unfälle löste die Sicherheitsbindung nicht oder nicht rechtzeitig aus. Mit einer funktionierenden Bindung könnte also das Verletzungsrisiko deutlich gesenkt werden. Daher wurde bei falscher Einstellung der Bindung ein negatives Testurteil vergeben, auch wenn das Geschäft bei anderen Prüfkriterien ganz gut abgeschnitten hat.

Einstellen nach Gewichtstabellen ist zu wenig

Der Grund für die Mängel in der Bindungseinstellung liegt im System begründet. Der Ausleihvorgang muss – vor allem in der Stoßzeit – schnell vor sich gehen. Das Einstellen der Bindung ist Routine. Oft wird nur nach dem Gewicht gefragt, um den Einstellwert zu ermitteln. Das aber ist zu wenig. Denn Alter, Größe, Geschlecht und Fahrweise können den korrekten Wert erheblich vom laut Gewichtstabelle ermittelten Wert abweichen lassen. Wird ein elektronisches Einstellgerät mit den richtigen Daten gefüttert, spuckt es binnen Sekunden das Ergebnis aus. Der Kunde bekommt einen Computerbeleg ausgehändigt, so dass er die richtige Einstellung auch später nachprüfen kann. Leider aber verzichten die meisten Sportgeschäfte auf ein Einstellgerät und geben sich mit einer manuellen Ermittlung des Einstellwertes zufrieden. Mit fatalen Folgen: Laut der bereits erwähnten Studie ist das Verletzungsrisiko für Skifahrer, deren Bindung laut Tabelle eingestellt wurde, viermal so hoch, wie für solche, deren Bindung elektronisch eingestellt wurde.

Eklatantes Sicherheitsmanko

Angesichts dieses eklatanten Sicherheitsmankos verblassen andere Ergebnisse dieses Tests. Etwa, was die Schuhe betrifft: Häufig werden Heckeinsteiger angeboten, weil man in diese leichter einsteigen kann als in die Überlapper-Modelle, die einen weit besseren Halt bieten. Hat ein Kunde Schwierigkeiten beim Einsteigen, ist der Verkäufer schnell mit einem um eine Nummer größeren Schuh zur Stelle. Eigentlich müsste er dem Betreffenden erklären, dass das Einsteigen in Skischuhe nun einmal mühsam ist, dass festsitzende Schuhe zwar unbequem sind, aber nur sie einen sicheren Halt gewähren. Dies würde allerdings etwas mehr Zeit erfordern als einfach ein größeres Schuhmodell zu präsentieren.

Mit der Beratung konnten wir in den meisten Fällen zufrieden sein. Sowohl die Freundlichkeit der Bedienung als auch die Fachberatung bot – vergleichsweise – wenig Anlass zur Kritik. Bedenklich wiederum finden wir, dass mehr als die Hälfte der Geschäfte keine Leihhelme für Kinder bereithält. Gerade Kinder sollten ja aus Sicherheitsgründen nicht ohne Helm auf die Piste gehen.

Es klingt paradox: Mit diesem erschreckenden Ergebnis in puncto Sicherheit stehen die österreichischen Skiverleiher im internationalen Vergleich noch ausgesprochen gut da. In allen anderen Alpenländern – Deutschland, Schweiz, Frankreich und Italien – war die Bilanz noch weit deprimierender (siehe Bildergalerie - "Europavergleich: Es geht noch schlechter").

Europavergleich: Es geht noch schlechter

×
Leihski
Leihski Europavergleich: Es geht noch schlechter (Angaben in Prozent) Im Vergleich schneiden Österreichs Skiverleiher recht gut ab. Obwohl auch hierzulande jedes zweite Sportgeschäft negativ bewertet wurde – anderswo ist es weit schlimmer: Im Durchschnitt sind 71 Prozent negativ. Den Minusrekord hält Italien, wo vier von fünf Geschäften den Sicherheitscheck nicht bestanden. |

Details

×
Prüfsiegel
Prüfsiegel Dieses Prüfsiegel signalisiert: Hier wird die Bindung elektronisch eingestellt. |
Skibindung Einstellung
Skibindung Einstellung Die Bindungseinstellung wird mittels elektronischer Drehmomentmessung kontrolliert. |
Prüfsiegel
Skibindung Einstellung

Sicherheit ist die Ausnahme. Leihskiausrüstung stellt in den meisten Fällen ein Sicherheitsrisiko dar: in Österreich zu 50 Prozent. Die Ursachen: Massenabfertigung und das Fehlen elektronischer Einstellgeräte.

Vor Urlaubsantritt informieren. Gibt es einen Einstellcomputer? Ist neuwertige Skiausrüstung noch verfügbar?

Einstellwert bestätigen lassen. Der Händler sollte die Einstellwerte (vorne und hinten) auf der Rechnung bestätigen. Dann können Sie auch später noch die Einstellung kontrollieren – und im Fall des Falles haben Sie ein wichtiges Beweismittel.

Bindung ausprobieren. Elektronische Einstellgeräte ermitteln nicht nur den exakten Einstellwert, man kann damit auch testen, ob die Bindung tatsächlich zum richtigen Zeitpunkt auslöst.

In einem Gemeinschaftsprojekt von 6 europäischen Verbraucherorganisationen wurden (unter finanzieller Unterstützung durch die EU-Kommission) 353 Sportgeschäfte im Alpenraum einem Leihskitest unterzogen. Die Bedingungen waren überall die gleichen: Für fünf Personen (2 Männer, 1 Frau und 2 Kinder) mit definiertem Fahrkönnen sollte eine gewöhnliche Skiausrüstung für einen Tag ausgeliehen werden. Die Untersuchung erfolgte vor Ort in einem mobilen Testlabor.

Beratung

Bewertet wurden die Freundlichkeit des Verkaufspersonals, die allgemeine und die fachliche Beratung, im Besonderen wie genau nach Körpermaßen bzw. Fahrkönnen gefragt wurde.

Ausrüstung

Schuhe, Ski, Bindung und Stöcke wurden auf Materialqualität, Zustand und Funktionstüchtigkeit untersucht.

Sicherheit

Geprüft wurden der Anschlussbereich zwischen Bindung und Schuh, Lauffläche und Kanten der Ski sowie die Bindungseinstellung vorne und hinten. Ein nicht zufriedenstellender Zustand dieser Sicherheitsparameter, vor allem eine falsche Einstellung der Bindung, bedingen ein negatives Gesamturteil.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Test: Funktionsshirts aus Merinowolle premium

Test: Funktionsshirts aus Merinowolle

Funktionsshirts aus Merinowolle sind für viele Temperaturen und mehrmaliges Tragen ohne Waschen geeignet. Jedoch sind sie nicht so robust wie Leiberl aus Chemiefaser. Wir haben 11 untersucht – zwei Drittel funktionieren gut.

Rückenprotektoren - Schützt und wärmt

Rückenprotektoren für den Wintersport sind zwar noch selten anzutreffen. Doch zumindest unsere Tester hatten sich bald an sie gewöhnt. - Dieser Test ist nur online und nicht im Heft erschienen.

Skihelme - Im Visier


Skihelme mit integriertem Visier bieten Brillenträgern einen besseren Durchblick. Aber auch für Sportler ohne Sehschwäche sind sie inzwischen eine interessante Alternative zu Helm und Skibrille. Verbesserungsbedarf gibt es trotzdem.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang