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Reisekoffer: viele Schadstoffe - Schönwettergepäck

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Reisekoffer im Test: Bei Regen zeigen viele Koffer Mängel, jedes zweite Produkt ist mit Schadstoffen belastet - konkret PAK und Phthalate (Weichmacher). Wir haben getestet, welche Koffer ihr Geld wert sind.

Der alte Koffer ist schon arg ramponiert, nun muss ein neuer her. Doch der Markt ist groß, die Modelle sind vielfältig und die Preise fallen sehr unterschiedlich aus, welchen also nehmen? In einem internationalen Gemeinschaftstest wurden Hart- und Weichschalenkoffer geprüft.

Koffertest: teilweise katastrophale Ergebnisse

Egal ob vom Diskonter oder exklusiveres Markenprodukt – robust, regenfest und schadstofffrei sollte wohl jeder Reisekoffer sein. Der Test zeigt: Eine Reihe von Modellen wird diesen Ansprüchen nicht gerecht. Vor allem die Prüfungen auf Schadstoffe erbrachten teilweise katastrophale Ergebnisse. Viele Reisekoffer sind zudem nicht regenfest.

Reise wird zum Gesundheitsrisiko

Die Trage- und Teleskopgriffe der Koffer wurden im Labor auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Phthalate (Weichmacher) untersucht. Diese giftigen Substanzen können über die Haut in den Körper aufgenommen werden. Sie können Krebs erzeugen, das Erbgut verändern, die Fruchtbarkeit reduzieren und Kinder im Mutterleib schädigen.

Griffe, die mehr als 10 Milligramm PAK pro Kilogramm Kunststoff enthalten, wurden im Test als "nicht zufriedenstellend“ bewertet. Im Tragegriff des American Tourister Tokyo Chic von Branchenriese Samsonite fanden die Tester sage und schreibe 18.000 Milligramm PAK pro Kilogramm Kunststoff! Da wird jede Reise zum Gesundheitsrisiko.

Samsonite: belastete Koffer weiter verkauft

Geht es nach Samsonite, wird sich daran auch nicht so schnell etwas ändern: Mit den hohen PAK-Werten konfrontiert, erklärte das Unternehmen, den American Tourister Tokyo Chic vom Markt zu nehmen. Doch die Bestände im Handel verkauft Samsonite weiter und ruft sie nicht zurück. In den Griffen des Cubelite Spinner, ebenfalls von Samsonite, wurden 60 Milligramm PAK pro Kilogramm Kunststoff festgestellt. Auch der Cubelite Spinner, mit stolzen 395 Euro übrigens der teuerste Koffer im Test, wird nach wie vor verkauft.

Schadstoffe (nicht) im Griff

Schadstoffe (nicht) im Griff

Wegen seines hohen PAK-Gehalts fiel weiters der Delsey Lite Gloss im Test durch. Der Travelite Elbe One ist sehr stark mit Phthalat belastet.

Der Kunststoff besteht zu mehr als 20 Gewichtsprozent aus dem gefährlichen Weichmacher DEHP, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Bei diesem Koffer wurden die Griffe laut Anbieter mittlerweile geändert. Auch in den Griffen des Trolleys von Lidl/Top Move sowie bei Roncato RV Runner und Travelite Flair wurden Schadstoffe gefunden.

Unnötiges Gesundheitsrisiko

Die Belastung ist bei diesen Modellen zwar deutlich geringer (sie beträgt beispielsweise bei PAK 5 bis 7 Milligramm), dennoch besteht ein gewisses und vor allem völlig unnötiges Gesundheitsrisiko. Denn dass es möglich ist, unbelastete Koffer zu erzeugen, zeigen alle anderen Modelle im Test.

Bloß kein Platzregen

Koffer müssen einiges aushalten und den einen oder anderen Regenguss überstehen, ohne dass der Inhalt nass wird. Fehlanzeige bei den meisten Modellen. Gerade einmal zwei (Samsonite Aeris Comfort und Rimowa Salsa Air Multiwheel) erwiesen sich als wirklich wasserdicht. Für die Prüfung auf Regenbeständigkeit wurden die Koffer zehn Minuten lang mit einer Wassermenge von einem Liter pro Minute und Quadratmeter beregnet. In der Praxis würde das einem ordentlichen Starkregen entsprechen.

Wasser im Koffer

Ausgenommen Samsonite Aeris Comfort und Rimowa Salsa Air drang unter diesen Bedingungen bei allen Modellen Wasser über die Öffnungen der Teleskopgriffe und durch die Reißverschlüsse in das Kofferinnere. Meistens waren es ein bis zwei Glas voll, beim Titan L 7.0 und beim Travelite Flair wesentlich mehr. Bei diesen beiden Koffern wären nach einem Platzregen dieser Stärke eineinhalb Liter Wasser aus der Kleidung zu wringen gewesen.

Gute Noten bei der Handhabung

Räder, Griffe, Gurte und Riemen hervorragend

In den Belastungstests für Räder, Griffe, Gurte und Riemen schnitten dafür sämtliche Koffer hervorragend ab. Auch Reißverschlüsse und Nähte waren solide gearbeitet, die Kofferflächen durchwegs sehr gut belastbar. Die meisten Koffer überstanden zudem den Fall aus einem Meter Höhe auf die Ecken weitgehend unbeschadet. Einzig die Ecken des Trolleys von Lidl/Top Move wurden bei dieser Prüfung recht stark beschädigt.

Beim Rimowa Salsa Air Multiwheel, Saxoline, Samsonite Cubelite Spinner und Samsonite Cordoba Duo wurden die Ecken durch den Falltest etwas eingedrückt; beim Rimowa ließ sich die Delle allerdings leicht und spurlos wieder herausdrücken. Das Modell von Saxoline erwies sich zudem als anfällig für Schäden durch spitze Gegenstände, ebenso der Samsonite Cosmolite. Die Teleskopgriffe wiederum waren bei sämtlichen Modellen sehr robust: Kein einziger kam beim Umkippen des beladenen Koffers zu Schaden.

Gute Noten bei der Handhabung

Auch bei der Handhabung der Koffer gab es insgesamt wenig zu bekritteln. Die Tester haben die Koffer gepackt, geschoben, getragen, gezogen und dabei weder gravierende Unterschiede zwischen den Modellen noch arge Mängel gefunden. Einige Koffer lassen sich leichter öffnen und schließen als andere, der Teleskopgriff ist nicht bei allen Modellen gleich leichtgängig. Kleinere Unterschiede zeigten sich zudem beim Rollen und Tragen und bei der Standfestigkeit.

Flugzeug, Bahn oder Auto?

Flugzeug, Bahn oder Auto?

Überlegen Sie vor dem Kofferkauf, wo Sie ihn vor allem benutzen werden. Die Koffer im Test sind unterschiedlich schwer und groß. Für Flugreisen ist eher ein leichter Koffer die erste Wahl. Achten Sie aber auf die Maße. Einige Fluglinien schreiben ein maximales „Gurtmaß“ (Höhe plus Breite plus Tiefe) des Koffers vor. Übergrößen kosten extra. In Zügen ist die Gepäckablage begrenzt. Bahnfahrer werden daher ebenfalls auf die Maße des Koffers achten. Achtung: Defekte Rollen können nicht bei allen Modellen ausgetauscht werden.

 Teleskopgriff lang genug

Probieren Sie im Geschäft aus, welches Modell für Sie passt, ob beispielsweise der Teleskopgriff lang genug ist. Sonst wird Ihnen der Koffer beim Nachziehen gegen die Fersen schlagen. Griffe sollen gut in der Hand liegen und dürfen nicht scharfkantig sein. Riechen sie unangenehm, weist das auf Schadstoffe hin (was allerdings nicht heißt, dass geruchsfreie Griffe frei von Schadstoffen wären).

Robust sind alle

Ob Hart- oder Weichschalenkoffer ist vor allem eine Frage persönlicher Vorlieben. Beim Falltest waren Weichschalenkoffer ebenso robust, kratz- und stichfest wie Modelle mit harter Schale. Es schützt auch nicht jeder Hartschalenkoffer besser vor Regen als ein Weichschalenkoffer. Der Kofferinhalt ist durch eine harte Schale allerdings besser vor Stößen geschützt. Weichschalenkoffer sind dafür beim Verstauen im Kofferraum flexibler.

Vorsicht beim Schloss

Noch ein Tipp: Kofferschlösser schützen nicht vor Diebstahl. Doch sie verhindern, dass der Koffer ungewollt aufgeht. Für Reisen in die USA sollten Sie Koffer mit einem sogenannten TSA-Schloss benutzen. Diese Schlösser kann die US-Sicherheitsbehörde (Transportation Security Administration, kurz: TSA) mit einem Generalschlüssel öffnen. Gepäckstücke, die mit anderen Schlössern ausgestattet sind, lassen Sie am besten unversperrt. Sie können sonst von der Behörde aufgebrochen werden.

Testtabelle: Hartschalenkoffer

Testtabelle: Weichschalenkoffer

PAK und Phthalate

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gelangen über Weichmacheröle und Ruß in Kunststoffe. Einige PAK können Krebs erzeugen, das Erbgut verändern, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, das Kind im Mutterleib schädigen.

Phthalate (Weichmacher) werden eingesetzt, um PVC weicher zu machen. Bestimmte Phthalate (DEHP, BBP, DBP und DIBP) sind gefährlich. Sie können u.a. die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Dabei wäre die Verwendung gefährlicher Phthalate nicht nötig, denn es gibt beispielsweise unschädliche Ersatzstoffe sowie PAK-freie Weichmacheröle. Doch diese Alternativen sind oft teurer.

PAK und Phthalate gelangen bei Kontakt mit belasteten Teilen über die Haut in den Körper. Je mehr Schadstoffe ein Kunststoff enthält und je länger der Hautkontakt andauert, desto höher ist das Gesundheitsrisiko. Für PAK und Phthalate in Verbraucherprodukten gibt es bislang keine gesetzlichen Grenzwerte. Doch es wird diskutiert, Krebs erzeugende PAK in der EU zu verbieten. Ab 2015 wird der Einsatz der gefährlichen Phthalate DEHP, BBP, DBP und DIBP beschränkt.

Die Bewertung im Test orientiert sich an der EU-Diskussion und am GS-Prüfzeichen. (Dieses Zeichen bescheinigt, dass ein Produkt sicher ist im Sinn des deutschen Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes. Die GS-Zertifizierung soll Konsumenten sowohl bei bestimmungsgemäßer Verwendung als auch beim vorhersehbaren Fehlgebrauch des Produkts vor Schaden bewahren.) Wurden Krebs erzeugende PAK festgestellt, lautet die Bewertung „nicht zufriedenstellend“. Das gilt ebenso bei mehr als 10 Milligramm PAK pro Kilogramm Kunststoff. Auch hohe Gehalte an den vier genannten Phthalaten bedingen die Bewertung „nicht zufriedenstellend“.

Falls Sie bereits einen Koffer erstanden haben, der im Test aufgrund seines Schadstoffgehalts als „nicht zufriedenstellend“ bewertet wurde, und diesen umtauschen möchten, sind Sie allerdings auf die Kulanz des Händlers angewiesen. Bislang gibt es keine Grenzwerte; der Händler ist also nicht dazu verpflichtet, den Koffer zurückzunehmen und den Kaufpreis zu retournieren. Da die Phthalate DEHP, BBP, DBP und DIBP zu den "Substanzen mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften“ zählen, sind Händler und Hersteller in der EU jedoch gesetzlich dazu verpflichtet, Konsumenten auf Anfrage mitzuteilen, ob diese Substanzen in einem Produkt enthalten sind. Nachfragen dient in diesem Fall also Ihrer Gesundheit.

Zusammenfassung

  • Robuste Testsieger. Samsonite Aeris Comfort um 214 Euro (Hartschale) und Delsey Xpert Lite um 215 Euro (Weichschale) punkteten mit bester Verarbeitung und Haltbarkeit. Der Delsey Xpert Lite schwächelte allerdings bei der Prüfung auf Regenbeständigkeit.
  • Nicht wasserdicht. Den Test auf Regenbeständigkeit bestanden nur zwei Modelle sehr gut (Samsonite Aeris Comfort und Rimowa Salsa Air Multiwheel, beides Hartschalenkoffer). Bei allen anderen Koffern drang Wasser über die Öffnungen der Teleskopgriffe und durch die Reißverschlüsse in den Innenraum.
  • Extrem belastet. Die Tragegriffe der Modelle American Tourister by Samsonite Tokyo Chic Spinner, Travelite Elbe One, Samsonite Cubelite Spinner und Delsey Lite Gloss sind extrem mit Schadstoffen belastet. Diese Koffer sollte man besser nicht in die Hand nehmen.

Testkriterien

Im Test: Im internationalen Gemeinschaftstest 19 Reisekoffer, darunter zehn Hartschalenkoffer und neun Weichschalenkoffer.

Handhabung. Fünf Testpersonen beurteilten Öffnen und Schließen (unter anderem Bedienbarkeit der Riemen und Verschlüsse), Packen, Rollen und Tragen auf unterschiedlichen Untergründen (auch Geräusch, Wendigkeit) sowie das Benutzen des Teleskopgriffs (u. a. Form und Höhe). Beurteilt wurden auch Standfestigkeit und Gebrauchshinweise.

Haltbarkeit. Falltest an jeder Kofferecke des beladenen Koffers bei 23°C und -10°C aus einem Meter Höhe, Teleskopgriff beim Umkippen des Koffers. Dauertest Räder: 2 x 15 km Fahren auf Laufband mit verschiedenen Holperleisten und Untergründen mit ca. 4 km/h. Dauertest Griffe: 5000-mal Anheben des beladenen Koffers, beim Teleskopgriff 200-maliges anheben. Zudem wurde die Biegebeanspruchung des Teleskopgriffs 10000-mal geprüft. Dauertest Riemen: U. a. Prüfen der Reißfestigkeit mit 100 N. Regenbeständigkeit: Beregnen der Koffer liegend und stehend in Anlehnung an DIN 58124 mit 1 l/min pro m² für 10 min, anschließend wurde die

Wassermenge im Koffer ermittelt. Prüfen der Reißverschlüsse, Nähte (Ausreißen) sowie Belastbarkeit der Kofferflächen mit 100 kg auf 400 cm² Kofferfläche. Ermitteln der Durchstichfestigkeit der Kofferflächen mit einem Pendelschlaggerät (Pyramidenkopf) mit bis zu ca. 75 J. Scheuerbeständigkeit des Koffermaterials in Anlehnung an DIN EN ISO 12947–1 und 2 mit dem Martindaleverfahren über 40 000 Reibtouren.

Verarbeitung. Ein Experte beurteilte unter anderem Reißverschlüsse, Nähte, mechanische Quetsch- und Scherstellen, Funktion der Scharniere, hervorstehende Griffe, Schlösser.

Schadstoffe. Teleskop- und Tragegriffe auf PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) in Anlehnung an ZEK 01.4-08 und Phthalate (Weichmacher) geprüft.

Leserreaktionen

Qualität erkennen

Als Lederwarengalanterist habe ich auch mit Reparaturen zu tun. Beim Kofferkauf ist besonders darauf zu achten, dass die Kofferversteifung aus einem Metallring besteht, an dem die tragenden Elemente wie die Räder befestigt sind. Bei Kunststoffversteifungen reißen die Elemente leicht aus. Das ist zu erkennen, wenn man den Futterzipp öffnet. Die Räder müssen möglichst in den Koffer integriert (wegstehende Teile werden auf Flugreisen oft abgebrochen) und an beiden Seiten der Achse befestigt sein. Bei verstellbaren Griffen muss die Befestigungsniete exakt sitzen.

Friedrich Hayden
E-Mail
(aus KONSUMENT 7/2012)

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