Eines Tages ist er da, der eingeschriebene Brief mit der Ladung zu einer Bauverhandlung. Ist dieses amtliche Schriftstück für Sie die erste Information, dass eine Baustelle bevorsteht, müssen Sie möglichst schnell alles nachholen.
Welche Rechte Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren haben, ist länderweise verschieden. Gemeinsamkeiten gibt es trotzdem: Mitsprachemöglichkeiten werden Anrainern praktisch nur dort eingeräumt, wo sie in ihren sogenannten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Darunter versteht man jene Bestimmungen der Bauvorschriften, die unmittelbare Auswirkungen auf die Anrainer haben. Grob zusammengefasst sind das Abstandsvorschriften zu Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe oder die flächenmäßige Ausnutzbarkeit von Bauplätzen. Die Baubehörde ist verpflichtet, im Bewilligungsverfahren die Rechte der Nachbarn zu berücksichtigen. Das klingt zwar beruhigend, darauf verlassen sollten Sie sich trotzdem nicht. Mangelnde oder gar fehlende Rechtskenntnis kommt auch bei Behördenvertretern immer wieder vor.
Zu nah? Zu hoch?
Haben Sie die Pläne für die künftige Baustelle an Ihrer Grundgrenze am Bauamt abgeholt, vertiefen Sie sich umgehend in den gültigen Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplan und in die Bauordnung Ihres Bundeslandes. Nehmen Sie die Baupläne zur Hand. Sie enthalten nicht nur Ansichten, die Ihnen die Außenflächen des geplanten Hauses zeigen, sondern auch Lagepläne, die angeben, wo genau das Haus stehen wird und welchen Umfang es hat. Dazu kommen noch Beschreibungen, mit welchen Materialien gebaut oder wie dick gedämmt wird. Prüfen Sie sorgfältig:
- Wie viel Fläche darf verbaut werden? Nachrechnen schadet nicht.
- Welcher Abstand zu Ihrer Grundgrenze ist vorgeschrieben? Wird er auch dann eingehalten, wenn die Wärmedämmung auf der Hausmauer klebt?
- Wie hoch darf gebaut werden? Hier kommt es neben der tatsächliche Höhe vor allem auf den Bezugspunkt an, von dem aus gemessen wird.
Im Ebenen oder Hanglage?
Steht der projektierte Neubau auf einer ebenen Fläche, ist die Sachlage vermutlich rasch klar. Kompliziert wird es bei Hanglagen. Damit Häuser dort nicht vom höchstmöglichen Punkt aus in den Himmel wachsen, gibt es in den Bauordnungen zusätzliche, für einen Laien kaum überblickbare Bestimmungen. Wollen Sie es genau wissen, werden Sie um professionelle Unterstützung durch einen Zivilingenieur kaum herumkommen.
Gestaltung von Dachlandschaften
Dasselbe gilt für die fantasievolle Gestaltung von Dachlandschaften (Gauben) und kreative Fassadengestaltungen (Erker) zum Zweck der Maximierung von Wohnfläche. Hilfestellung für eine erste Einschätzung bekommen Sie in Wien bei der Gebietsbetreuung: www.gebietsbetreuung-wien.at.

Ein idyllisches Ufergrundstück im Eigentum des Wiener Magistrats an der Alten Donau. Höchste Zeit, die schöne Aussicht zu Geld zu machen, findet ein Investor und reicht beim Bauamt Pläne für die Errichtung einer Strandbar ein. Blöd nur, dass die frei zugängliche Wiese als Grünland gewidmet ist und lediglich unter strengen Auflagen, darunter auch die Zustimmung der Nachbarn, bebaut werden darf. Die Anrainer lehnen ab. Der Investor reicht das Projekt neu ein, indem er seine Bar um einige Meter versetzt.
DDr. Wolfgang Hauer ist noch immer ein streitbarer Mann. Im Sommer 2008 hat er sein Standardwerk "Der Nachbar im Baurecht“ neu aufgelegt. Der ehemalige Senatspräsident des Verwaltungsgerichtshofs gibt darin nicht nur einen Überblick über sämtliche baurechtlichen Bestimmungen, die die Rechte von Nachbarn im baubehördlichen Verfahren betreffen, sondern auch über die zugehörige Rechtsprechung. Das alles praxisnah und durchaus pointiert. Dass sich Nachbarn ihre Rechte oft mühsam erkämpfen müssen, kritisiert der Autor scharf. Gleichzeitig plädiert er im Zweifelsfall für ein vernünftiges miteinander Reden statt eines starren Beharrens auf Rechtsstandpunkten. Eine Pflichtlektüre für alle, denen eine benachbarte Baustelle Sorgen macht.
