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Brustimplantate: Europäischer Gerichtshof schont TÜV - Womöglich kein Schadenersatz

Hätte der TÜV-Rheinland den Brustimplantat-Hersteller PIP strenger prüfen sollen? Ein neues Urteil sagt nein zu unangemeldeten Inspektionen.

Haftet der TÜV-Rheinland für mangelhafte Silikon-Brustimplantate? Ja, sagte das französische Handelsgericht in Toulon. Nur beschränkt, urteilte kurz danach der Europäische Gerichtshof (EuGH). Solche Prüf-Organisationen sind, sagt der EuGH, nicht verpflichtet, unangemeldete Inspektionen durchzuführen und Produkte zu prüfen. Wenn es aber Hinweise auf Produktmängel gibt, müssten sie "alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen", um ihren Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nachzukommen, hieß es im Urteil (Az. C-219/15).

Brustimplantate bei vielen Frauen

Ausgangspunkt ist der Betrug des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP). Er befüllte seine Brustimplantate statt mit Spezialsilikon mit billigerem Industriesilikon, das zu Schäden an den Kissen führte. Weltweit ließen sich zehntausende Frauen die Implantate einsetzen. Auch viele Österreicherinnen sind betroffen. Wir vom VKI vertreten sie vor den französischen Gerichten.

Deutsche Klägerin

Im aktuellen Verfahren ließ sich eine deutsche Klägerin 2008 die Implantate einsetzen und nach den Warnungen der Behörden 2010 wieder entfernen. Sie fordert vom TÜV Rheinland, der das PIP-Qualitätssicherungssystem zertifizierte, Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro. Sie macht geltend, dass der TÜV durch Einsicht in Lieferscheine und Rechnungen hätte erkennen können, dass der Hersteller nicht das genehmigte Silikon verwende.

Hat TÜV von Pflichtverletzung gewusst?

Dem Urteil des EuGH zufolge ist eine Prüfungsstelle zu so einer Kontrolle erst verpflichtet, wenn sie "Hinweise" hat, dass der Hersteller Qualitätsstandards nicht einhält. Ob die deutsche Klägerin damit Anspruch auf Entschädigung hat, hängt laut EuGH davon ab, ab wann der TÜV Rheinland von den Pflichtverletzungen des Herstellers wusste.

VKI vertritt Österreicherinnen

Ulrike Wolf vertritt für den VKI österreichische Frauen vor französchichen Gerichten. Sie meint: „Leider entschied der EuGH, dass die Prüfstellen grundsätzlich nicht zu unangekündigten Kontrollen bei Herstellern verpflichtet sind. Nur mit unangekündigten Inspektionen kann man in der Zukunft solche Skandale verhindern, aber dafür braucht es bessere EU-Gesetze.“ Details und Urteil finden Sie hier:

PIP-Brustimplantate: EuGH zur Haftung des TÜV

Das neue EuGH-Urteil ist nur eine Facette in einem komplexen Rechtstreit über Staatsgrenzen hinweg. Der PIP-Skandal hat rechtlich gesehen noch weitere Stränge:

  • Das Strafverfahren gegen die verantwortlichen PIP-Manager (abgeschlossen)
  • der Prozess gegen die französische Haftpflichtversicherung von PIP und
  • das in Frankreich (Toulon) laufende Verfahren gegen den TÜV.

Handelsgericht Toulon

Bei letzterem sieht die Sache für die Opfer deutlich positiver aus als in dem EuGH-Urteil. Das Handelsgericht Toulon hatte am 20.1.2017 den TÜV Rheinland zur Zahlung von 60 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Den geschädigten Frauen (9148 Klägerinnen) wurden je 3000 Euro Vorschuss auf Schadenersatz zugesprochen. Unter ihnen sind jene 69 Frauen aus Österreich, die wir vom VKI unterstützen. Ulrike Wolf: „Ein Etappensieg“. Klar ist auch, so Wolf: „Der Skandal hätte verhindert werden können, wenn unangemeldet geprüft worden wäre.“

Lesen Sie mehr: PIP-Brustimplantate: TÜV zu 60 Mio € Schadenersatz verurteilt

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