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Versicherungsrecht: Kündigung, Rücktritt - Online-Regeln mit Tücken

Elektronische Polizzen, geschriebene Form, Vertragskündigung: Das Versicherungsrecht wurde geändert.

E-Mail und Internet statt Papierbergen: Durch die Erlaubnis zur elektronischen Kommunikation hat der Gesetzgeber lang gehegte Wünsche der Versicherungsunternehmen erfüllt. Sie sparen Papier- und Portokosten. Auch Konsumenten haben es einfacher, wenn sie ihrem Versicherer Schadensmeldungen und andere Informationen nicht mehr postalisch übermitteln müssen, sondern per Knopfdruck senden können. 

Vereinbarung notwendig

Ihr Versicherer kann Ihnen nicht vorschreiben, dass Sie ihn jetzt nur mehr per E-Mail oder Internet kontaktieren. Auch wenn Sie Ihrem Versicherer Ihre E-Mail-Adresse geben, heißt das noch nicht, dass die elektronische Kommunikation abgemacht wurde. Dies muss ausdrücklich zwischen Versicherungsunternehmen und Konsument vereinbart werden. Ein Passus im Versicherungsantrag oder ein Verweis auf die Geschäftsbedingungen genügt nicht, es muss sich um eine separate Vereinbarung handeln. Die kann sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer jederzeit widerrufen. 

Gesetz lässt breiten Spielraum

Das Gesetz lässt breiten Spielraum dafür, was Versicherer und Versicherter einander übermitteln dürfen: also Polizzen, Mahnungen, Versicherungsbedingungen, Deckungsablehnungen (Versicherer) oder Kündigungen, Vertragsrücktritte, Information zur Veräußerung oder zum Untergang der versicherten Sache (Versicherter). Aber Achtung: Es kann auch vertraglich vereinbart werden, dass bestimmte Erklärungen wie Kündigungen oder Rücktritte nur schriftlich eingebracht werden können. De facto kann der Versicherer dieses Schriftlichkeitsgebot seinem Kunden aufoktroyieren.  Bei bestimmten Polizzen (Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Pensionsversicherungen) schreibt das Gesetz vor, diese zusätzlich auch auf Papier zu übermitteln. Und Polizzen, die auf den Inhaber lauten, dürfen ausschließlich in Papierform verschickt werden.

Gültigkeit ist an Bedingungen geknüpft 

Damit die elektronische Kommunikation rechtlich verbindlich ist, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die Art der elektronischen Übermittlung muss festgelegt sein (etwa E-Mail). Die Versicherungskunden müssen nachweislich ihren Internetzugang benutzen sowie die erhaltenen Inhalte speichern und laufend wiedergeben können. Die Inhalte müssen tatsächlich übersendet worden sein oder deren Abrufbarkeit auf der Homepage muss gewährleistet sein. Sonst sind elektronische Mitteilungen nicht gültig.  Hat der Versicherer Hinweise, dass für den Konsument kein regelmäßiger Zugang zum Internet möglich ist (etwa, weil er auf Mails nicht antwortet), kann ihm auf elektronischem Weg nichts wirksam übermittelt werden.

"Polizze“ in der Betreffzeile

Die Versicherer werden auf elektronischem Weg wohl auch Reklame verschicken. Daher muss Wichtiges klar und deutlich gekennzeichnet werden, etwa durch "Polizze“ in der Betreffzeile der E-Mail. Wichtige Mitteilungen könnten sonst in der Werbelawine übersehen werden.


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Haftung bei Missbrauch ungeregelt

Auch Papier ist möglich 

Will das Versicherungsunternehmen eine Erklärung schriftlich versenden, obwohl die elektronische Kommunikation vereinbart wurde, muss der Versicherte vorher darauf aufmerksam gemacht werden. Und: Konsumenten können alles, was sie elektronisch erhalten haben, auf Papier anfordern. Einmal ist dies kostenlos. Auch darauf ist vor der Zustimmung zur elektronischen Kommunikation hinzuweisen.  Nicht vorgeschrieben ist, dass Kunden, die auf traditionellem schriftlichen Geschäftsverkehr mit ihrer Assekuranz bestehen, gleich viel bezahlen wie jene, die die kostengünstigere elektronische Kommunikation nutzen. Die Versicherer werden also versuchen, mit Rabatten ihre Kunden zur elektronischen Kommunikation zu überreden.

Zustellungsfallen 

 Eine elektronische Nachricht gilt im neuen Versicherungsrecht als zugegangen, wenn die Voraussetzungen für die Übermittlung eingehalten sind. Was aber, wenn die E-Mail nicht ankommt? E-Mails sind kein absolut sicheres Medium. Sie können unterwegs verloren gehen, ohne dass der Absender davon erfährt. Wie sich technische Probleme in konkreten Fällen auswirken und wie hier ein Nachweis erbracht werden kann, wird erst die Praxis zeigen. Besonders problematisch ist, das Polizzen ohne sichere Signatur verschickt werden dürfen. Auch ist im Versicherungsrecht die Haftung bei Missbräuchen nicht geregelt, wie dies etwa im Zahlungsdienstegesetz bei Bankomatbehebungen oder Girokonten der Fall ist.

Informationspflicht überwälzt 

Informationen sind ein wichtiger Teil eines Versicherungsvertrages. Jetzt können sie auch auf einer Internetseite bereitgestellt werden. Der Konsument erhält eine Mail, in der auf die Informationen (etwa die Allgemeinen Versicherungsbedingungen) auf der Homepage verwiesen wird. Schaut er sich diese nicht an: sein Pech! Die Bedingungen gelten als zugegangen und, kommt es zum Vertragsabschluss, als vereinbart.

Geschriebene Form 

Neben der Schriftform (also auf Papier mit Unterschrift) kennt das Versicherungsrecht jetzt auch die sogenannte "geschriebene Form“. Diese ist eine juristische Besonderheit des Versicherungsrechts. In der Praxis sind das etwa Erklärungen auf Papier ohne Unterschrift, Erklärungen per Fax oder E-Mail ohne elektronische Signatur. Soweit das Versicherungsvertragsgesetz nichts Anderes anordnet (Schriftform oder formlose Erklärung), die Parteien formfrei agieren können oder die Vereinbarung einer anderen Form zulässig ist, soll diese neue geschriebene Form ausreichen. Ob im Einzelfall die geschriebene Form genügt oder nicht, wird sich daher leider oft nicht auf den ersten Blick feststellen lassen. Es kann nämlich etwa vereinbart werden, dass manche Erklärungen wie z.B. Kündigungen oder Rücktritte weiterhin schriftlich – also mit Unterschrift – erfolgen müssen.

Mit oder ohne Unterschrift

Versicherer muss auf Unwirksamkeit hinweisen

Gibt ein Konsument irrtümlich eine Erklärung in unzureichender Form ab (z.B. in geschriebener Form), obwohl die Schriftform nötig wäre, hat der Versicherer den Konsumenten unverzüglich darauf hinzuweisen, dass er sich auf Unwirksamkeit berufen will. Dann kann der Konsument binnen 14 Tagen seine Erklärung in Schriftform nachreichen, damit sie wirksam ist.

Rücktritt erleichtert 

Neu ist, dass man binnen 14 Tagen ohne Begründung von einem Versicherungsvertrag zurücktreten kann. Dieser Rücktritt kann nach den gesetzlichen Bestimmungen in geschriebener Form erfolgen. Es kann aber auch vereinbart werden, dass für einen Rücktritt die Schriftform (also auf Papier und mit eigenhändiger Unterschrift) nötig ist.  Diese Frist beginnt, wenn man alle Unterlagen (Polizze, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Bestimmungen über Prämienfestsetzung und -änderung), Informationen und die Rücktrittsbelehrung erhalten hat. Wurde elektronische Kommunikation vereinbart, gilt jener Zeitpunkt, zu dem die E-Mail beim Versicherten eingegangen ist. Hat dieser die Mail übersehen oder war er zu der Zeit auf Urlaub, ist die Rücktrittsfrist versäumt. 

Rücktrittserklärung rechtzeitig senden 

Nicht geregelt ist, ob das Senden der Rücktrittserklärung innerhalb der 14-Tages-Frist genügt, oder ob der Rücktritt innerhalb dieser Frist beim Versicherer eingelangt sein muss. Sicherheitshalber sollte man die Erklärung so früh schicken, dass die Rücktrittserklärung noch innerhalb der 14 Tage beim Versicherer eingeht. Kein Rücktrittsrecht besteht bei Verträgen mit einer Laufzeit von unter sechs Monaten. Das Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat nach Zugang der Polizze samt Rücktrittsbelehrung. 

Schlupfloch Netto-Polizzen geschlossen

Eine Lebensversicherung kurz nach Vertragsabschluss stillzulegen oder aufzulösen kommt teuer. Früher kam das noch teurer, weil der Versicherer sofort die gesamten Abschlusskosten (also die Provision für den Vermittler) verlangte. Seit einigen Jahren müssen die Abschlusskosten bei Brutto-Polizzen auf die ersten fünf Jahre nach Vertragsabschluss verteilt werden. Das brachte findige Versicherungsvermittler auf die Idee, sogenannte Netto-Polizzen auf den Markt zu bringen, bei denen die Provision vom Kunden direkt an den Vermittler bezahlt wird. Bei Stilllegung oder Auflösung forderten die Vermittler die gesamte Provison.   

Zu viel gezahlte Provision retour 

Dieses Schlupfloch hat der Gesetzgeber nun geschlossen. Endet die Prämienzahlung bei einer Lebensversicherung durch Rückkauf (Auflösung) oder Prämienfreistellung innerhalb der ersten fünf Jahre, hat der Vermittler Anspruch auf Provision nur im Verhältnis der Prämienzahlungsdauer zum Zeitraum von fünf Jahren. Was an Provision mehr verrechnet wurde, kann man vom Vermittler zurückfordern. 

Ermittlung von Gesundheitsdaten

Die Bestimmungen über die Zustimmung zur Ermittlung von Gesundheitsdaten werden verschärft.  Die Zustimmungserklärung muss textlich getrennt sein. Außerdem muss der Versicherer bei einer konkret beabsichtigten Datenermittlung ein Widerrufsrecht von 14 Tagen einräumen und diese Frist abwarten. Bei Direktverrechnung zwischen Versicherer und Arzt bzw. Krankenhaus dürfen bestimmte eingeschränkte Daten ermittelt werden. Notwendig ist dafür ein Auftrag für die Direktverrechnung an Arzt/Krankenhaus.

Krankengeschichte 

Dabei muss mitgeteilt werden, welche Daten ermittelt werden dürfen und dass ein Untersagungsrecht besteht. Die Übermittlung der gesamten Krankengeschichte ist nicht mehr zulässig. Der Versicherer hat Abschriften der Gutachten gegen Aufwandersatz zur Verfügung zu stellen.

Zusammenfassung

  • Elektronische Kommunikation. Diese muss vorab ausdrücklich vereinbart werden. Polizzen, Informationen, Erklärungen können auch elektronisch übermittelt werden (per E-Mail oder Internet). Ausgenommen sind Polizzen bei Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Pensionsversicherungen. Auch ein Verweis auf die Internetseite reicht, um die Informationspflicht des Versicherers zu erfüllen. Der Konsument muss sich die Information also dort abholen. Nachweisprobleme bei technischen Störungen sind möglich. Haftungsfragen sind nicht geregelt.
  • Geschriebene Form. Es muss nicht immer ein eingeschriebener Brief mit Unterschrift sein. Oft genügen jetzt Erklärungen auf Papier ohne Unterschrift, Erklärungen per Fax oder E-Mail ohne elektronische Signatur – außer, es wurde im Vertrag anderes vereinbart. Gibt ein Konsument irrtümlich eine Erklärung in geschriebener Form ab, obwohl Schriftform nötig wäre, muss ihn der Versicherer unverzüglich auf die Unwirksamkeit hinweisen. Dann kann der Konsument binnen 14 Tagen seine Erklärung in Schriftform nachreichen.
  • Neues Rücktrittsrecht. Binnen 14 Tagen kann man ohne Begründung von einem Versicherungsvertrag zurücktreten. Diese Frist beginnt, wenn man alle Unterlagen, Informationen und die Rücktrittsbelehrung erhalten hat. Ausgenommen sind Verträge mit einer Laufzeit von unter 6 Monaten.
  • Netto-Polizzen. Auch bei Netto-Polizzen hat der Vermittler bei Rückkauf (vorzeitiger Vertragsauflösung) oder Stilllegung Anspruch auf Provision nur im Verhältnis der Prämienzahlungsdauer zum Zeitraum von fünf Jahren. Was an Provision mehr verrechnet wurde, kann ein Konsument vom Vermittler zurückfordern.
  • Erfassung von Gesundheitsdaten. Die Erklärung zur Zustimmung muss im Vertrag textlich getrennt sein. Bei einer konkret beabsichtigten Datenermittlung muss der Versicherer ein Widerrufsrecht von 14 Tagen einräumen und diese Frist abwarten. Der Versicherer muss dem Versicherten Gutachten über seinen Gesundheitszustand gegen Kostenersatz zur Verfügung stellen.

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