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Zahlscheingebühr: Entgelte sind gesetzwidrig - VKI startet Sammelaktion

, aktualisiert am

Viele Unternehmen verlangten Zahlscheinentgelte, obwohl sie verboten sind. Das hat der Oberste Gerichtshof nun endgültig abgestellt: Der VKI hilft Konsumenten zuviel gezahles Geld zurückzufordern.

VKI-Sammelaktion zur Rückzahlung von Zahlungsentgelten

Konkret geht es um eine Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gegen T-Mobile. Der oberste Gerichtshof verurteilte T-Mobile exemplarisch für viele andere Unternehmen zur Unterlassung entsprechender Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die Entscheidung ist endgültig. - Lesen Sie auch Urteil: Zahlscheingebühr bei Hutchison 3 gesetzwidrig 9/2014

Geld-zurück-Aktion läuft bis 31.10.2014

Seit November 2011 ist es verboten, bestimmte Zahlungsformen zu benachteiligen. Zahlreiche Unternehmen kassierten trotzdem Zahlscheingebühren - hier ein Beispiel von Tele2. Der VKI hilft Ihnen zuviel gezahltes Geld zurückzuholen (Bild: VKI) 

Der VKI startet eine große Sammelaktion zur Rückzahlung der in den vergangenen Jahren unrechtmäßig bezahlten Zahlungsentgelten – zu finden auf der Website des VKI-Rechtsbereiches www.verbraucherrecht.at. Sie als Kunde können dort Forderungen gegen Unternehmen unterschiedlichster Branchen melden. Der VKI fordert diese Unternehmen auf, das unrechtmäßig verlangte Geld an die Kunden zurückzuzahlen. Die Aktion ist vorerst mit 31.10.2014 befristet und für alle Teilnehmer kostenlos.

Zahlungsdienstegesetz gebrochen

Der juristische Hintergrund: Seit Inkrafttreten des Zahlungsdienstegesetzes (ZaDiG) am 1.11.2009 gilt auch in Österreich das Verbot, bestimmte Zahlungsinstrumente mit besonderen Entgelten zu belegen. Trotzdem verlangten viele Unternehmen (darunter auch der Telekom-Anbieter T-Mobile) in den vergangenen Jahren zusätzliche Gebühren. Die Klage des VKI erfolgte im Auftrag des Sozialministeriums. Konsumenten, die auf einer Zahlung per Zahlschein bestanden mussten zwischen zwei und fünf Euro zusätzlich bezahlen. Wir haben darüber und über unsere Klagen berichtet (siehe rechts).

Eine Gebühr mit vielen Namen

Die Unternehmen haben diese Zahlscheingebühr bzw. das Erlagscheinentgelt den Kunden in unterschiedlichsten Bezeichnungen in Rechnung gestellt:

  • Entgelte für Zahlungen ohne Einzugsermächtigung
  • Aufwandersatz
  • Entgelte auf Verrechnungskonto
  • Bearbeitungsgebühr für Zahlscheinzahlung
  • Entgelt für Bearbeitung Ihrer Zahlung
  • Mehrkosten für Zustellung der Rechnung
  • Aufwand/Entgelt/Gebühr für die Zusendung vorausgefüllter Zahlscheine
  • Verrechnung von Kosten für die Zusendung von Zahlscheinen
  • Mehrkostenersatz für die Zustellung der Prämienvorschreibung
  • Abgeltung der entstehenden Mehraufwendungen aus der gewählten Zahlungsweise sowie sonstiger Nebenleistungen
  • Einhebungsgebühr
  • Erlagscheinspesen
  • Bearbeitungsgebühr
  • Kosten für die Erstellung eines Erlagscheines

Urteil gilt auch für Versicherungen

Melden Sie zuviel gezahlte Gebühren

Unter www.verbraucherrecht.at können Sie als Betroffener alle Daten zu Vertragspartnern, die solche Entgelte seit 1.11.2009 weiter kassiert haben, eingeben. Auch die in der Vergangenheit kassierten Entgelte sind an die Kunden zurückzuzahlen. Danach fordert der VKI die Unternehmen zur Rückzahlung der gesammelten Beträge (auf die Girokonten der Kunden) oder zur Erteilung entsprechender Gutschriften auf. Über die Reaktionen der Unternehmen werden wir berichten.

Unternehmen kalkulieren mit Unrechtsgewinn

Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereichs Recht im VKI: "Beim Mobilfunkbetreiber macht die Rückforderung vielleicht über die Jahre rund 150 Euro aus. Wenn man aber alle Verträge erfasst, dann kann man schon auf Beträge von einigen hundert Euro kommen, die man zurückfordern kann”, rechnet Kolba vor. “"Es handelt sich hier um einen typischen Streuschaden: Von Millionen Kunden wurden kleine Beträge kassiert. Viele werden den persönlichen Aufwand scheuen, diese Beträge zurückzufordern, damit kalkulieren auch die betroffenen Unternehmen und behalten den Unrechtgewinn. Mit unserer Aktion wollen wir das verhindern.”

Urteil gilt auch für Versicherungen

Nicht nur Mobilfunk- und andere Unternehmen, auch Versicherungen haben häufig Zahlscheinentgelte verlangt und sich dabei auf eine rechtliche Spezialsituation berufen. Der OGH hat auch diese Frage mitentschieden: Auch für solche Fälle gilt demnach das ZaDiG. Die zusätzlich verrechneten Entgelte sind damit ebenfalls gesetzwidrig und können im Rahmen der VKI-Sammelaktion eingemeldet werden.


Darstellung für Juristen

Hier der Sachverhalt in juristischer Darstellung:

Der VKI hat im Auftrag des Sozialministeriums mehrere Unterlassungsklagen gegen Unternehmen, allen voran Mobilfunkbetreiber sowie Versicherungen eingebracht. Das Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) verbietet seit 1.11.2009 die Verrechnung von Strafentgelten für die Bezahlung per Zahlschein oder Onlinebanking. § 27 Abs 6 ZaDiG sieht seit November 2009 vor, dass "die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstrumentes" unzulässig ist. 

Dieses Verbot entspricht nach Ansicht des VKI den europarechtlichen Vorgaben, da die Preisklarheit gefördert sowie der Wettbewerb zwischen den einzelnen Unternehmern transparent gemacht wird. Die Meinung des VKI wurde in allen Unterinstanzen bestätigt. Der OGH legte anschließend drei Fragen dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Beurteilung vor. Der EuGH beantwortete die vorgelegten Fragen folgendermaßen:

  1. Art 53 Abs 3 Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG ist auf das Zahlungsverhältnis zwischen dem Mobilfunkbetreiber T-Mobile als Zahlungsempfänger  und einem Kunden als Zahler anzuwenden. 
  2. Zahlscheine oder per Onlinebanking eingeleitete Überweisungen stellen Zahlungsinstrumente im Sinne der Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG dar.
  3. Ein generelles Verbot für die Einhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger widerspricht nicht der Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG, sofern damit der Wettbewerb sowie die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente gefördert werden.  Die Ermächtigung für Mitgliedstaaten die Entgelteinhebung für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments gem. Art 52 der Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG zu verbieten wurde durch § 27 Abs 6 ZaDiG umgesetzt. Dessen Anwendung bejahte der OGH daher auch im Vertragsverhältnis zwischen einem Konsumenten als Zahler und T-Mobile als Zahlungsempfänger.

Der OGH stellte in seiner Prüfung - ob  § 27 Abs 6 ZaDiG der Notwendigkeit, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, Rechnung trägt-  klar, dass es aus der Sicht des Zahlers und des Zahlungsempfängers unterschiedlich zu beurteilen ist, ob ein Zahlungsinstrument nun als effizient angesehen wird oder nicht. "Der Weg des österreichischen Rechts", nämlich des Verbots von Zusatzentgelten bei gleichzeitiger Gewährung einer Ermäßigung für bestimmte (effiziente) Zahlungsinstrumente  - wie in § 27 Abs 6 ZaDiG vorgesehen- widerspricht weder dem Zweck der Richtlinie, noch deren Wortlaut.

Eine Verletzung der Grundrechte des Eigentumsrechtes sowie der Berufsfreiheit  (Art 15 und Art 17 der GRC) von T-Mobile durch die gegenständliche Norm wurde vom OGH verneint, da die Regelung die Berufsfreiheit lediglich unter Achtung des Wettbewerbs, der Effizienz und der Verbraucher einschränkt.

Da Zahlscheine sowie die Erteilung eines Überweisungsauftrages im Onlinebanking ein Zahlungsinstrument gem Art 4 Nr. 23 der Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG darstellen, handelt es sich auch um Zahlungsinstrumente  im Sinne des § 3 Z 21 ZaDiG.  Hinsichtlich des Einwands von T-Mobile, dass § 27 Abs 4 ZaDiG bezüglich der Mitteilungspflichten im Rahmen der "Entgelte oder Ermäßigungen für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments" von der Zulässigkeit der Verrechnung eines Entgelts ausgehe wurde klargestellt, dass es sich dabei lediglich um ein Redaktionsversehen handelt.

Der OGH bestätigte zudem, dass § 27 Abs 6 ZaDiG keinesfalls nur eine Obliegenheit, sondern ein gesetzliches Verbot darstellt, welchem T-Mobile als Zahlungsempfängerin unterworfen ist.

Als obiter dictum entschied der OGH zudem auch über die Besonderheiten im Fall von Versicherungen. Der Einwand, § 27 Abs 6 ZaDiG führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von T-Mobile gegenüber den Versicherungen wurde entgegengehalten, dass seit Inkrafttreten des § 41b VersVG am 1.1.2013 eine Klarstellung vorliegt. Das Verbot des § 27 Abs 6 ZaDiG gilt auch zwischen einer Versicherung und dem Versicherungsnehmer, weswegen nur jene Entgelte verrechnet werden dürfen, die der Abgeltung von -vom Versicherungsnehmer veranlassten - Mehraufwendungen dienen. Der OGH führte zudem aus, dass § 27 Abs 6 ZaDiG dem § 41b VersVG für den Zeitraum vom 1.11.2009 bis 1.1.2013 als lex specialis sowie lex posterior vorgeht. Die Verrechnung von Entgelten in Versicherungsverträgen ab dem 1.11.2009 ist daher unwirksam.

Dem Einwand, § 27 Abs 6 ZaDiG verstoße im Hinblick auf diese "Altverträge" gegen die Eigentumsfreiheit von T-Mobile wurde - wie auch schon vom Berufungsgericht - entgegengehalten, dass solche Eingriffe insbesondere dann zulässig sind, wenn ein öffentliches Interesse besteht. Dieses Interesse wurde vom OGH bejaht, da die Bestimmung der Förderung des Wettbewerbs dient.

Urteil: OGH 17.6.2014, 10 Ob 27/14i

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