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Inkontinenzeinlagen - Der Preis der Sicherheit

  • Gegen Inkontinenz kann man etwas tun
  • Einlagen müssen in jeder Situation Sicherheit geben
  • Der Tragekomfort entscheidet

Jede vierte Frau und jeder zehnte Mann leidet irgendwann im Leben unter dem, was der Volksmund als „Blasenschwäche“, die Medizin als Inkontinenz bezeichnet: jene tief verunsichernde Situation, dass man unfreiwillig Harn verliert.

Das „schwache Geschlecht“ anatomisch benachteiligt

Während Männer sehr selten in jüngeren Jahren an einer Blasenschwäche leiden, kämpfen Frauen mitunter schon ab dem 30. Lebensjahr damit. Dass sie hier tatsächlich zum „schwachen Geschlecht“ gehören, ist anatomisch bedingt. Auch Schwangerschaft und Geburt tragen neben hormonellen Ursachen dazu bei, dass der Beckenboden erschlafft. Das ist jene Muskelplatte, die für das reflexartige Verschließen der Harnröhre und damit für die willkürliche Entleerung der Blase verantwortlich ist. Zudem ist die weibliche Harnröhre erheblich kürzer: Frauen sind deshalb wesentlich empfänglicher für Harnwegsinfektionen als Männer. Nicht ausgeheilte chronische Infektionen bereiten ebenfalls oft den Weg für eine Blasenschwäche.

Gesellschaftlich isoliert

Frauen, die sich nicht mehr trauen, in Gegenwart anderer zu lachen, zu niesen oder zu husten, zu tanzen oder Sport zu betreiben, kurz, mit anderen das Leben zu genießen, vereinsamen sehr schnell. Auch weniger trinken löst das Problem nicht. Es verschärft die Inkontinenz und kann durch ständigen Flüssigkeitsverlust Erkrankungen hervorrufen.

Noch immer Tabu-Thema

Doch nach wie vor ist das Thema tabu. Anstatt mit dem Arzt zu reden und Hilfe einzuholen, greifen Betroffene oft zu herkömmlichen Damenbinden als „heimliche Helfer“: Die erfüllen ihren Zweck keineswegs, denn sie bieten nicht die nötige Sicherheit. Das können nur spezielle Vorlagen. Sie sind allerdings wesentlich teurer als Binden.

Am Wiener AKH getestet

In Zusammenarbeit mit der Urogynäkologischen Ambulanz im Wiener AKH testeten rund 100 Frauen mit leichter bis mittlerer Blasenschwäche Produkte, die für die jeweilige Form von Inkontinenz am besten geeignet schienen. Unsere Testerinnen sind allesamt Frauen, die mitten im Leben stehen, keine pflegebedürftigen Greisinnen.

Verwirrendes Angebot

Das Angebot in Apotheken und bei Bandagisten (Sanitätshäusern) erwies sich schon für unsere Einkäufer als unübersichtlich: Verschiedene Packungsfarben und verwirrende Größenangaben helfen nicht eben, die passende Größe auszusuchen. Auch abgebildete Tröpfchen lassen keine wirklichen Rückschlüsse auf die tatsächliche Vorlagengröße zu. Unsere Prüfer hatten es im Gegensatz zur suchenden Kundin einfacher: Sie öffneten die Verpackungen und stellten in der praktischen Prüfung fest, um welche Größe es sich dabei wirklich handelt. Ein Produkt (Depends) ist in Drogerie- und Supermärkten erhältlich.

Gute Ergebnisse mit kleinen Einschränkungen

Große Einlagen wurden generell weniger gut bewertet als kleine – hier spielt wohl die Ähnlichkeit mit Windeln eine Rolle, was an „Pflegefall“ erinnert. Einige Produkte fielen durch Wirkungen wie Juckreiz und Rötung auf. Immerhin: Keine getestete Vorlage wurde schlechter als durchschnittlich bewertet. Die Frauen wollen sich in ihren speziellen Aktivitäten nicht beeinträchtigt fühlen, wie Rückmeldungen der praktischen Prüfung zeigen: Sie berichten von „schwer zu lösenden Haftstreifen“, von raschelnden, plastikähnlichen Auflagen oder von vorzeitigem Zerknautschen, oder „für Hosen ungeeignet“. Nicht jede Einlage macht alles mit. Auch gibt es große Unterschiede zwischen den Anforderungen am Tag und in der Nacht. Was einen geruhsamen Schlaf beschert, kann tagsüber Juckreiz oder ein Schwitzklima hervorrufen. In Einzelfall hilft nur ausprobieren und gegebenenfalls die Marke wechseln.

Zuschuß von Krankenkassen

Die Krankenkassen leisten zumindest einen Beitrag für Inkontinenzvorlagen, wenn sie vom Arzt verschrieben werden. Aber Achtung! Nicht jede Kasse bezahlt beziehungsweise bezuschusst jedes Produkt oder jede Größe. Nicht bezahlt werden die in Drogerie- und Supermärkten erhältlichen Produkte. Es lohnt, bei der jeweiligen Kasse nachzufragen, besonders, wenn die Einlagen ständig getragen werden müssen.

Univ.-Prof. Dr. Engelbert Hanzal (Univ.-Klinik für Gynäkologie am Wiener AKH) über Harninkontinenz.

Konsument: Welche Formen von Inkontinenz gibt es?

Prof. Hanzal: Zum einen die Stressinkontinenz, wo es bei körperlicher Belastung wie Husten, Lachen, Niesen oder sportlicher Betätigung zum unwillkürlichen Harnverlust kommt. Dann die Dranginkontinenz. Hier ist der Harnverlust mit verstärktem Harndrang verbunden. Als dritte Gruppe gibt es die verschiedensten Formen des unwillkürlichen Harnverlustes mit unterschiedlichen Ursachen. Dies kann auch gefährliche Ursachen wie zum Beispiel Multiple Sklerose, bösartige Tumore in der Blase etc. beinhalten. Darum ist es besonders wichtig, dass die Harninkontinenz ernst genommen und ärztlich abgeklärt wird.

Konsument: Von welchen Formen der Inkontinenz sind unsere Probandinnen besonders betroffen?

Prof. Hanzal: In erster Linie von der Stressinkontinenz. Diese Form ist vor allem bei Frauen jüngeren und mittleren Alters die häufigste und wird oft gemeinsam mit Senkungszuständen der Gebärmutter und der Scheide diagnostiziert. Als Risikofaktoren dafür gelten Schwangerschaft und Geburt, Alter, Lebensstil wie zum Beispiel Rauchen und Übergewicht, sowie Erkrankungen, die beispielsweise mit einem chronischen Husten verbunden sind.

Konsument: Wann soll die Frau einen Arzt aufsuchen?

Prof. Hanzal: Die Inkontinenz stellt nach wie vor ein gewisses Tabu dar. Der regelmäßige Besuch bei Frauenärztin oder -arzt ist eine Gelegenheit für Frauen, das Thema zur Sprache zu bringen. Es ist umgekehrt auch wichtig, dass Gynäkologe oder Gynäkologin das Problem des unwillkürlichen Harnverlustes aktiv ansprechen. Nur dann kann es abgeklärt und behandelt werden.

Konsument: Welche medizinischen Möglichkeiten gibt es für den Arzt?

Prof. Hanzal: Zuerst die Abklärung der Ursache des unwillkürlichen Harnverlustes. Dies ist heute durch relativ einfache diagnostische Schritte möglich. Damit kann der Arzt feststellen, ob gleich mit einer Behandlung begonnen werden kann oder erst ein Spezialist konsultiert werden muss.

Bei Behandlungsmöglichkeiten unterscheiden wir zwischen Inkontinenzoperationen und so genannten konservativen Behandlungsformen. Vor Inkontinenzoperationen ist unbedingt eine Abklärung mittels der „Urodynamik“ anzustreben. Inkontinenzoperationen werden von Gynäkologen und Urologen durchgeführt. Bei der konservativen Behandlung kommt der Physiotherapie ein besonderer Stellenwert zu. Gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur bringt erstaunliche Erfolge. Bei der Dranginkontinenz ist die Behandlung mit Medikamenten besonders erfolgreich. Außerdem kann mit elektrotherapeutischen Maßnahmen Besserung erzielt werden. Auch vor konservativen Maßnahmen ist eine ärztliche Untersuchung anzuraten, um sinnlose Behandlungen zu vermeiden.

Konsument: Was können Frauen selbst gegen Inkontinenz unternehmen?

Prof. Hanzal: Das Beckenbodentraining hat praktisch keine Nebenwirkungen. Diese Behandlung ist prinzipiell vorbeugend. Allerdings gibt es derzeit keine wissenschaftlichen Daten, die den Wert des Beckenbodentrainings bei der Vorbeugung eindeutig belegen können. Wichtig erscheint mir, dass Frauen spätestens in der Schwangerschaft bei der Geburtsvorbereitung auf die Bedeutung des Beckenbodens im Hinblick auf die Kontinenz hingewiesen werden. Dabei sollten Möglichkeiten gezeigt werden, wie mit Beckenbodenproblemen umzugehen ist, die nach einer Entbindung auftreten können. Es sollte heute für jede Frau selbstverständlich sein, zu wissen, wo sie ärztliche Hilfe bekommen kann.

Von schätzungsweise 850.000 in Österreich Betroffenen finden nur rund 18 Prozent zum klärenden Gespräch. Dabei kann der Arztbesuch oft Besserung, ja sogar Heilung bedeuten. Inkontinenz kann auch ein Zeichen für Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose oder Tumore sein. I nkontinenzberatungsstellen in ganz Österreich helfen weiter. Allein in Wien gibt es neben den Beratungsstellen des Roten Kreuzes sieben Inkontinenz-Beratungszentren der MA 47, wo erfahrene diplomierte Krankenschwestern in Gesprächen und mit praktischen Tipps zur Seite stehen. Die meisten bieten auch Kurse für das wichtige Training der Beckenbodenmuskulatur an. (siehe „Blasenschwäche“ [Konsument 11/99]). Nähere Informationen dazu gibt es im Inkontinenz News Büro; Tel.: (01) 402 12 83.

Kostenlose und bei Bedarf auch anonyme Auskünfte erteilt weiters die Gesellschaft für Inkontinenzhilfe Österreich; Tel.: (0512) 58 37 03, im Internet unter www.inkontinenz.at

Eine Liste mit weiteren Adressen für Informationen und Kursangebote können Sie über unser Abonnenten-Service kostenlos anfordern: (01) 588 774.

Attends: Paper Pack Austria GmbH, Derflingerstraße 31, A-4017 Linz, 0 80 0/81 88 20

Depend: Hakle-Kimberley Papiervertriebs GmbH,
Wienerbergstraße 9, A-1100 Wien, (01) 605 17-0

Euron: Ontex Österreich GmbH, Deutschstraße 4,
A-1230 Wien, (01) 617 54 24

Kolibri: Arndt Handels GmbH, Guggenmoosstraße 3,
A-5020 Salzburg, (0662) 43 81 78

Moliform: Hartmann Paul GesmbH, IZ,
NÖ-Süd, Straße 3, Objekt M 22,
A-2351 Wiener Neudorf, (02236) 646 30-0

Molimed: Hartmann Paul GesmbH, IZ,
NÖ-Süd, Straße 3, Objekt M 22,
A-2351 Wiener Neudorf, (02236) 646 30-0

Tena:SCA Hygiene Products GmbH, Storchengasse 1,
A-1150 Wien, (01) 895 89 24

Gute Ergebnisse.

Im praktischen Test schnitt kein Produkt schlechter als „durchschnittlich“ ab. Die Packungsbezeichnungen sind allerdings verwirrend.

Besser größer.

Am Anfang lieber eine größere, extra verpackte Vorlage wählen. Über die Nachtstunden oder auf Reisen wird sie auch später gute Dienste leisten.

Zusätzliche Sicherheit.

Vorlagen halten mehr aus, wenn sie vor Gebrauch vorsichtig aufgeschüttelt und längsseitig in der Mitte gefaltet werden.

Krankenkassen zahlen.

Die Krankenversicherungen leisten zumindest einen Beitrag dafür. Nicht jede bezahlt oder bezuschusst allerdings jedes Produkt oder jede Größe. Erkundigen!

Beraten lassen.

Inkontinenzberatungsstellen helfen bei der Auswahl.

Im Test: 24 Inkontinenzeinlagen für leichte bis mittlere Inkontinenz. Einkauf der Prüfmuster im Jänner 2000.

Praxistest: Bei 100 Probandinnen wurde die Art der Inkontinenz durch einen Facharzt festgestellt. Jede Probandin erhielt die für ihre Inkontinenz geeigneten Produkte und beurteilte diese anhand eines Fragebogens. Beurteilt wurden der Tragekomfort (Haftfestigkeit, Tragegefühl, Nässegefühl, Formstabilität), die Wirkungen im Intimbereich (Rötungen, Jucken, Schwitzen etc.), die Handhabung (Anbringen im Slip, Entfernen)

Ergänzend zum Praxistest führten wir Laboruntersuchungen durch.

Flüssigkeitshaltevermögen (Retention): Nach Eintauchen in eine Kochsalzlösung, Abtropfen und Zentrifugieren wurde durch Wägen festgestellt, welche Flüssigkeitsmenge so gebunden werden kann, dass sie auch unter Druckbelastung nicht abgegeben wird.

Oberflächenfeuchtigkeit: Ermittelt an mehreren Zonen der Einlage mit einem optischen Gerät (Hoechst SDM1).

Rücknässe: Zur Bestimmung wurden Filterpapierstreifen mit definierter Belastung auf die Oberfläche gedrückt. Die Gewichtszunahme des Filterpapiers ließ Rückschlüsse zu, ob Feuchtigkeit unter Druck an die Haut zurückgegeben werden kann.

Aufnahmekapazität vor dem Auslaufen: Mit Hilfe von Modellpuppen wurde ermittelt, wie viel Harnersatzlösung eine Einlage bis zum Auslaufen aufnehmen kann.

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