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Johanniskraut-Präparate - Sonne für die Seele

Stimmungsaufheller, Angstlöser und Balsam fürs Gemüt: Das gelb blühende Johanniskraut verheißt Wohlgefühl. Doch ohne Erkrankung macht die Einnahme keinen Sinn, und Vorsicht ist geboten.

Der Volksmedizin galt die Pflanze, die auf Wiesen strauchartig bis zu einen Meter hoch wächst, als Heilmittel: bei Wunden und Verbrennungen, gegen Schmerzen, Hexenschuss, Gallenleiden, Melancholie, Durchfall, Rheuma, Gicht und Bettnässen, gegen Schlangenbisse, Malaria, bei Schlafstörungen und zum Entwässern.

Als die Seelenärzte vor drei Jahrzehnten nach Alternativen zu den damals an Nebenwirkungen reichen Psychopillen suchten, fiel ihr Blick auf die Heilpflanze. Heute bieten zahlreiche Hersteller Johanniskraut in Teemischungen und Extrakt in Form von Kapseln und Tropfen an. Inzwischen ist Johanniskraut weltweit anerkannt als Mittel gegen depressive Verstimmung und leichte bis mittelschwere Depressionen. In den USA ist es ein Bestseller, in Deutschland sogar das meistverkaufte Antidepressivum. In Österreich sind relativ wenige Präparate zugelassen, wobei die jeweilige behördliche Einstufung – ärztliche Verschreibungspflicht ja oder nein – offenbar nicht logischen Kriterien unterliegt: So sind Jarsin 300 mg-Dragees rezeptpflichtig, während Kira-Dragees mit demselben Wirkstoffgehalt ohne Rezept abgeben werden dürfen.

Wirkung ist bewiesen

Die Wirkung von Johanniskraut-Extrakten wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien mit der von Scheinmitteln (Placebos) und von herkömmlichen Arzneien (trizyklische Antidepressiva) verglichen und bestätigt: Johanniskraut zeichnet sich durch bessere Verträglichkeit als die synthetischen Medikamente aus, und es wirkt leicht anregend und stimmungsaufhellend. Bei Winterdepression ist es gleich erfolgreich wie die Lichttherapie. Bei schweren Depressionen und psychiatrischen Krankheiten, die einen Aufenthalt in der Klinik notwendig machen, ist seine Wirkung zu schwach.

Die Pflanze enthält Substanzen, die auf den Stoffwechsel des Gehirns wirken, vor allem Hyperforin, das die Produktion der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin steigert. Johanniskraut soll auch das Hormon Melatonin beeinflussen, das den Schlafrhythmus mitbestimmt.

Wie bei allen Pflanzenmitteln besteht das Problem in der Standardisierung des Extrakts: Je nach Standort, Klima und Erntezeit variiert der Wirkstoffgehalt, und deshalb können erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten bestehen. Heute wird der Gehalt an Gesamthypericin oder an Hyperforin als Maß für die Wirksamkeit angegeben. Bei Tropfen, Dragees und Kapseln ist diese Angabe nachprüfbar; bei der Zubereitung von Tees fraglich. Es gilt, dass zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Depression eine Tagesdosis von 600 bis 900 Milligramm Trockenextrakt ausreicht. Eine Kombination des anregenden Johanniskrauts mit beruhigenden Mitteln, wie Baldrian, ist nicht sinnvoll.

Berichte von Nebenwirkungen

Johanniskraut ist im Allgemeinen gut verträglich, aber es gibt Berichte von Nebenwirkungen wie Verdauungsproblemen, allergischen Reaktionen, Müdigkeit und Ängstlichkeit. Bei mehreren Personen im Alter über fünfzig ist nach Einnahme ein manischer Zustand aufgetreten. Bei Personen mit heller Haut und wenig Hautpigmenten können UV-Strahlen rascher einen Sonnenbrand hervorrufen, wenn sie Johanniskraut eingenommen haben.

Enthaltene Substanzen im Johanniskraut

Schwerer wiegt eine andere Gefahr: Johanniskraut enthält ungefähr zehn Substanzen mit pharmakologischen Wirkungen. Sie beeinflussen die Verstoffwechslung von Medikamenten in der Leber. Dadurch können die Mittel in ihrer Wirkung verstärkt oder abgeschwächt werden. Das kann sogar lebensgefährlich werden.

  • So führte die Einnahme von Johanniskraut bei zwei Herztransplantierten zur Abstoßung der Transplantate, und ähnliche Reaktionen zeigten sich bei Nierentransplantierten, sogar nach Konsum von Johanniskrauttee.
  • Bei Personen, die zur Vermeidung von Thrombosen Warfarin genommen hatten, stieg die Gefahr für Gefäßverschlüsse.
  • Bei älteren Menschen, die verschriebene Antidepressiva (Saroten [Amitryptilin], Fluctine [Fluotexine]) gemeinsam mit Johanniskraut einnahmen, traten Schwindel, Verwirrung und Ängste auf.
  • Johanniskraut verringert den Wirkstoffgehalt im Blut vom Herzmittel Digoxin, von Cyclosporin, das bei Krebs und nach Transplantationen eingesetzt wird, von Blutverdünnern, zum Beispiel Phenprocoumon nach Herzinfarkt, von Theophyllin, das Asthmatiker brauchen, sowie von Indinavir, das Aids-Patienten schützt.
  • Es schwächt auch die Wirkung der Antidepressiva Amitryptilin und Nortriptylin ab. Depressive, die zusätzlich zu diesen Seelenhelfern Johanniskraut einnehmen, um sich noch besser zu fühlen, können damit also genau das Gegenteil erreichen.
  • Auch das Hormon Östrogen wird durch Johanniskraut beeinflusst, und noch ist nicht geklärt, ob es weitere Wechselwirkungen gibt.

Hinweise auf Beipackzetteln fehlen teilweise

Auf den Beipackzetteln der Medikamente fehlen zum Teil Hinweise auf Wechselwirkungen, zB bei Kira, Jarsin, Nerventee EF-EM-ES und Johanniskrauttee aus der Apotheke. Beim Kwizda Nerventee wird als Wechselwirkung mit Beruhigungsmitteln fälschlicherweise eine „Wirkungsverstärkung“ angegeben. Handelsübliche Homöopathika, etwa D2 und D20, haben keine Beipacktexte und ob sie überhaupt wirksam sind, ist fraglich: Ein Nachweis dafür fehlt, und in der D20-Lösung sind nur noch wenige Moleküle der Substanzen vorhanden. Für die nötige Tagesdosis reichen Tropfen aus diesen Fläschchen jedenfalls nicht aus.

Nebenwirkungen möglich

Naturmittel sind nicht – wie viele glauben – automatisch sanft und risikofrei, sie können Stoffe enthalten, die wirksam sind und daher auch Nebenwirkungen auslösen können. Oft wissen nicht einmal die Hersteller davon. Erst jüngst hat sich herausgestellt, dass Johanniskraut sogar den Verlauf einer Operation beeinflussen kann. Deshalb dürfen Lebensmittel und Zubereitungen mit dem Seelentröster Johanniskraut, das rechtlich als Arzneimittel definiert ist, nicht als Verzehrprodukte verkauft werden. Die Entwicklung der Produkte kommt übrigens nicht ohne Tierversuche aus. Fragwürdig ist die Flut der Artikel und bunten Bücher zum Thema Johanniskraut: Meist wird es darin distanzlos als Universalheilmittel beworben, um die Hoffnung von Laien zu bedienen.

Johanniskraut ist als Heilmittel schon lange bekannt.

Die Pflanze blüht um den Johannistag, den 24. Juni, und die Legende erzählt, sie sei aus dem Blut Johannes des Täufers hervorgegangen. Der Teufel habe das heilige Kraut vernichten wollen und mit einer Nadel wie besessen auf die Blätter eingestochen. Geblieben sind die hellen Tupfen, und wegen dieses charakteristischen Lochmusters trägt die Hyperikum-Pflanze den Beinamen „perforatum“ (lat. = durchlöchert).

Blutrot ist ihr Saft, wenn man die Blütenblätter der Wiesenpflanze zerreibt, deshalb haben die Ärzte der Antike damit blutende Wunden behandelt – entsprechend der magischen Vorstellung, dass Ähnliches Ähnliches heile. Im Mittelalter diente das „Hexenkraut“ dazu, Dämonen auszutreiben und den Gepeinigten unter der Folter die Wahrheit zu entlocken.

Johanniskraut findet schon bei Ärzten der Antike wie Hippokrates oder Galen Erwähnung. Paracelsus war allerdings der Erste, der es zur Behandlung von psychischen Erkrankungen einsetzte, „wegen der Geister und tollen Phantasien, die den Menschen zur Verzweiflung bringen.“ Später wurde Johanniskraut auch bei „melancholischen Gedanken“ empfohlen.

Verträglichkeit.

Bei depressiven Stimmungen und mittelschwerer Depression ist Johanniskraut besser verträglich als synthetische Psychopharmaka.

Wirksamkeit.

Wirksam ist eine Tagesdosis von 600 bis 900 Milligramm. Die Wirkung tritt erst nach einiger Zeit der Einnahme ein.

Neben- und Wechselwirkungen.

Nehmen Sie das Mittel nicht zugleich mit synthetischen Antidepressiva ein! Damit erreichen Sie eine Verschlechterung Ihrer Situation. Achtung: Johanniskraut beeinflusst auch Blutverdünner, Herzmittel und Mittel, die das Immunsystem unterdrücken.

Vorsichtsmaßnahmen.

Achtung: Johanniskraut kann die Sicherheit der „Pille“ verringern. Mindestens fünf Tage vor einer Operation muss die Einnahme von Johanniskraut abgesetzt werden.

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