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Ohrentropfen - Selten sinnvoll

  • Die meisten Mittelohrentzündungen heilen von selbst ab
  • Tritt nach zwei Tagen keine Besserung ein, Arzt aufsuchen
  • Antibiotika-Ohrentropfen mit Einschränkung geeignet

Kinderkrankheit Mittelohrentzündung

Wenn kleine Kinder ihren Eltern schlaflose Nächte bereiten, ist häufig eine akute Mittelohrentzündung (akute Otitis media/AOM) die Ursache. AOM ist die häufigste Entzündungskrankheit im Kindesalter und tritt vor allem zwischen dem 10. und 18. Lebensmonat auf.

Die Behandlung erfolgt grundsätzlich ambulant, außer bei Säuglingen vor dem zweiten Lebensmonat. Rund 70 Prozent aller Kinder unter drei Jahren erkranken mindestens einmal daran. Das Mittelohr ist ein luftgefüllter Raum, zwischen äußerem Gehörgang und Innenohr.

Die Anfälligkeit für Infektionen ergibt sich durch die Nähe zum Rachen, mit dem das Mittelohr durch einen Gang, der so genannten eustachischen Röhre oder Ohrtrompete verbunden ist, die für den Druckausgleich sorgt. Bei Kleinkindern weist das Organ einen verhältnismäßig großen Durchmesser auf und ist sehr kurz.

Im Fall einer Verkühlung können Erreger aus dem Rachenraum so leicht ins Mittelohr gelangen und dort Entzündungen und Vereiterungen verursachen. Dies führt zur Verstopfung der Ohrtrompete, der Druck im Mittelohr steigt an, was starke Schmerzen auslöst. Die kleinen Patienten leiden zudem meist unter Fieber, Appetitlosigkeit, Weinerlichkeit, Unruhe und Schlafstörungen.

Krankheitsverlauf beobachten

Krankheitsverlauf beobachten

So heftig die Symptome auch ausfallen: Ernsthafte Komplikationen sind selten, und die Entzündung heilt meist innerhalb von zwei bis drei Tagen von selbst ab. Verstärken sich die Symptome oder klingt die Erkrankung nach zwei Tagen nicht deutlich ab, sollte allerdings unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.

Schmerzlindernde und fiebersenkende Mittel (Paracetamol, Ibuprofen) können über die schlimmste Zeit hinweghelfen. Die Präparate werden als Zäpfchen oder Saft verabreicht, die Dosierung richtet sich nach dem Gewicht und dem Alter des Kindes. Häufig werden auch Nasentropfen verschrieben. Diese verengen die Blutgefäße und sollen ein Abschwellen der Schleimhäute bewirken.

Möglicherweise können die Symptome dadurch kurzfristig gelindert werden. Allerdings gibt es kaum gute Studien, die dies untersucht haben. Es ist auch unklar, ob Nasentropfen die Heilung einer Mittelohrentzündung unterstützen können. Damit die Nasenschleimhaut nicht geschädigt wird, dürfen derartige Mittel auf jeden Fall nur kurzfristig eingesetzt werden.

Vier Präparate im Test

Ebenfalls meistens angewendet werden Ohrentropfen. Wir haben vier in Österreich zugelassene rezeptpflichtige Präparate zur lokalen Behandlung entzündlicher Ohrenerkrankungen getestet.

Dabei handelt es sich um ein antibiotisches Monopräparat (Otanol), zwei Kombinationspräparate mit Antibiotika und Glukokortikoiden (Betnesol N und Otosporin) sowie ein Kombinationspräparat, bestehend aus einem Schmerz- und einem oberflächenwirksamen Betäubungsmittel (Otalgan). Für das Kortisonmonopräparat Betnesol liegt uns keine Bewertung vor.

Für und wider Antibiotika

Für und wider Antibiotika

Die direkte Wirkung von Antibiotika bei Mittelohrentzündungen wird überschätzt, da die Erkrankung meist durch Viren ausgelöst wird, gegen die Antibiotika keine Wirkung haben. Eine große wissenschaftliche Übersichtsarbeit mit fast 2.800 Kindern konnte zeigen, dass die Einnahme bei Kindern im Alter von einem Monat bis 15 Jahren nur einen geringen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat.

Ernsthafte Komplikationen oder eine Beeinträchtigung des Hörvermögens traten bei den Kindern mit AOM, die Antibiotika eingenommen hatten, genauso selten auf wie bei Kindern, die keine Antibiotika eingenommen hatten. Die Behandlung mit Antibiotika konnte auch nicht vor dem erneuten Auftreten einer Mittelohrentzündung schützen.

Die Schmerzen der Kinder waren mit Antibiotika innerhalb von 24 Stunden nicht schneller abgeklungen als ohne diese Medikamente. Im Verlauf einer Woche konnten Antibiotika den Zeitraum mit Schmerzen geringfügig verkürzen. Am meisten profitieren Kinder unter zwei Jahren mit einer Entzündung beider Ohren und Kinder aller Altersgruppen mit eitrigem Ausfluss aus dem Ohr von Antibiotika. In diesen Fällen ist eine konsequente Behandlung mit Antibiotika zum Einnehmen erforderlich.

Beide Symptome weisen auf bakterielle Infektionen hin, die sich mit derartigen Präparaten gut behandeln lassen. Eine prophylaktische Wirkung besteht für Komplikationen wie Trommelfellperforation, Hörschädigung oder Hirnhautentzündung.

Otanol Ohrentropfen

Otanol Ohrentropfen

Wir haben Otanol 1,0 mg/ml Ohrentropfen mit dem antibiotischen Wirkstoff Ciprofloxazin untersucht. Bei Ciprofloxazin handelt es sich um ein Antibiotikum mit breitem Wirkungsspektrum. Es liegen zwar Studien vor, die belegen, dass ciprofloxazinhaltige Ohrentropfen bei eitriger chronischer Mittelohrentzündung besser wirken als Placebos und auch besser als eine orale Antibiotikatherapie, aufgrund der kleinen Probandenanzahl und der kurzen Therapiedauer ist die Aussagekraft dieser Arbeiten allerdings beschränkt.

Unklar ist derzeit vor allem, wie sich das Mittel bei Anwendung über längere Zeiträume auf das Hörvermögen und das Hörorgan selbst auswirkt. Die lokale Anwendung von Ciprofloxazin ist kritisch zu betrachten, da das Risiko einer Resistenzentwicklung groß ist. Problematisch ist dies nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei dem Wirkstoff um ein sogenanntes Reserveantibiotikum handelt, das bei schweren Körperinfektionen eingesetzt wird.

Wir bewerten Otanol 1,0 mg/ml Ohrentropfen zur Behandlung einer chronischen Mittelohrentzündung als mit Einschränkung geeignet. Bei Entzündungen des äußeren Gehörganges beurteilen wir das Präparat sogar als wenig geeignet. Bei einem Furunkel im äußeren Gehörgang dringt der Wirkstoff nämlich nicht bis an den Infektionsherd vor. Bei derartigen, nichtbakteriellen Entzündungen an der Hautoberfläche sind Glukokortikoide, wie etwa Hydrokortison (z.B. Hydroderm „ Aesca“ Creme oder Salbe) als Mittel der Wahl anzusehen.

Antibiotika und Glukokortikoide

Antibiotika und Glukokortikoide

Ebenfalls zur Anwendung bei AOM kommen Kombinationspräparate, die neben Antibiotika auch Glukokortikoide (dabei handelt es sich um eine Klasse von Steroidhormonen aus der Nebennierenrinde wie z.B. Cortisol) enthalten. Wir haben Betnesol N Augen-, Ohren- und Nasentropfen getestet. Das Präparat enthält als Wirkstoffe das Glukokortikoid Betamethasondinatriumphosphat sowie das Antibiotikum Neomycinsulfat und ist mit dem Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid versetzt.

Ebenfalls im Test sind Otosporin Ohrentropfen. Diese enthalten zwei Antibiotika (Polymixin-B-Sulfat und Neomycinsulfat) sowie das Glukokortikoid Hydrocortisonacetat. Als Konservierungsmittel dienen bei diesem Mittel pHB-Ester, daher ist dieses Präparat für Paragruppenallergiker ungeeignet.

Die therapeutische Wirkung einer Kombination aus Glukokortikoiden und Antibiotika ist nicht ausreichend nachgewiesen. Wir bewerten daher die Mittel sowohl bei Mittelohrentzündung als auch bei Entzündungen im äußeren Gehörgang als wenig geeignet.

Analgetika und Lokalanästhetika

Analgetika und Lokalanästhetika

Wir haben mit Otalgan Ohrentropfen das einzige in Österreich zugelassene Präparat getestet, das auf einer Kombination aus Schmerzmittel (Phenazon) und Oberflächenbetäubungsmittel (Lidocain) basiert. Lidocain bewirkt oberflächlich eine Hemmung der Nervenerregbarkeit, so dass der Schmerz nicht oder nur sehr gering wahrgenommen wird. Bei Schmerzen im Ohr fällt die Wirkung aber nur marginal aus.

Lidocain betäubt zwar den Ort der Entzündung, die Schmerzen im Ohr werden allerdings vor allem auch durch die Druckerhöhung im Mittelohr ausgelöst. Außerdem durchdringt Lidocain die Hautoberfläche nur minimal, so dass tiefer liegende Nerven kaum erreicht werden.

Phenazon wirkt schmerzlindernd und fiebersenkend. Die Substanz ist in Schmerzmitteln zur oralen Einnahme enthalten. Eine Wirkung im Ohr ist allerdings nicht ausreichend nachgewiesen. Bei einer Mittelohrentzündung mit intaktem Trommelfell erreichen beide Wirkstoffe den Ort der Entzündung nicht. Bei Verletzungen des Trommelfells könnten die Wirkstoffe zwar in das Mittelohr gelangen, dann droht aber die Gefahr einer Schädigung des Innenohres.

Aus diesen Gründen können wir Otalgan Ohrentropfen nur als wenig geeignet zur Behandlung einer Mittelohrentzündung bewerten.

Ernüchterndes Ergebnis

Ernüchterndes Ergebnis

Insgesamt fällt das Ergebnis dieser Untersuchung ernüchternd aus. Wir konnten nur ein Arzneimittel (das antibiotische Ciprofloxazinpräparat Otanol) für das beanspruchte Anwendungsgebiet als mit Einschränkung geeignet beurteilen, und zwar bei chronischer Mittelohrentzündung mit geschädigtem Trommelfell.

Die Datenbasis dafür besteht nur aus Untersuchungen mit wenigen Probanden und über einen kurzen Behandlungszeitraum. Über Langzeitbehandlung und mögliche Ohrschäden liegen keine Daten vor, die eine Therapie zweckmäßig erscheinen ließen.

Die beiden Antibiotika-Glukokortikoid-Kombinationspräparate Betnesol N Augen-, Ohren- und Nasentropfen und Otosporin Ohrentropfen beurteilen wir als wenig geeignet zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges. Dies gilt auch für die Kombination aus einem Schmerzmittel und einem Lokalanästetikum (Otalgan Ohrentropfen) zur Behandlung von Mittelohrentzündung.

Testtabelle: Rezeptpflichtige Mittel bei Mittelohrentzündung

Zusammenfassung

  • Mittelohrentzündung. Die häufigste Entzündungskrankheit bei Kindern. Meist heilt die Infektion rasch, in einigen Fällen kommt es jedoch zu Komplikationen. Verstärken sich die Symptome bzw. klingt die Erkrankung nach zwei Tagen nicht deutlich ab, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
  • Ohrentropfen. Lediglich Antibiotika können als mit Einschränkung geeignet bewertet werden. Kombinationspräparate, sei es auf Basis von Antibiotika und Glukokortikoiden wie auch auf Basis von Schmerzmitteln und Oberflächenbetäubungsmitteln, sind wenig geeignet.
  • Nasentropfen. Es ist unklar, ob Nasentropfen die Heilung einer Mittelohrentzündung unterstützen können. Damit die Nasenschleimhaut nicht geschädigt wird, dürfen derartige Mittel nur kurzfristig eingesetzt werden.

Testkriterien

Grundlage dieses Tests ist das Handbuch „Medikamente“, für das ein Expertengremium der Stiftung Warentest Arzneimittel auf Basis von Literaturrecherchen beurteilte. Hier finden Sie die Methoden.

Geeignet sind Mittel (Standardtherapeutika), deren therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen ist. Ihre Nutzen-Risiko-Abwägung fällt positiv aus. „Geeignet“ sind auch Kombinationsmittel, deren Wirkstoffe sich sinnvoll ergänzen.

Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber Konservierungsmittel enthalten oder noch nicht lange genug erprobt sind.

Mit Einschränkung geeignet sind Mittel, die therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standardtherapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen.

Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind, deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist, sowie Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, deren Wirkstoffe sich nicht sinnvoll ergänzen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

 

Keine Bewertung: Anthroposophische, homöopathische und traditionell angewendete Mittel lassen sich nach den Grundsätzen unseres Tests nicht bewerten.

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