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Patientenanwaltschaften - Wenn der Doktor pfuscht

Die österreichischen Patienten­anwältinnen und -anwälte stehen Betroffenen nach ­ärztlichen Behandlungsfehlern mit Rat und Tat zur Seite.

Schlampige Diagnosen, Fehler bei der Medikamentierung, verwechselte Gliedmaßen, im Körper vergessene Operationsuten­silien – die Liste sogenannter ärztlicher Kunstfehler ist lang und hat für Patientinnen und Patienten nicht selten gravierende gesundheitliche Konsequenzen. Wie viele Behandlungsfehler in den Spitälern passieren, ist nicht bekannt, da keine Statistiken verfügbar sind. So bleiben nur Schätzungen.

Schätzung: rund 3.000 Todesfälle

Einer deutschen Studie zufolge kommen mindestens 0,1 Prozent aller Krankenhauspatienten im Zusammenhang mit einem vermeidbaren unerwünschten Ereignis ums Leben. Geht man davon aus, dass die Situation hierzu­lande vergleichbar ist, wären das bei den rund 3 Millionen Spitalspatienten in Österreich jährlich 3.000 Todesfälle.

Bessere Chancen auf Entschädigung

In der Vergangenheit war es für die Opfer von Behandlungsfehlern respektive deren Ange­hörige schwer, zu ihrem Recht zu kommen. Wer nicht betucht genug war, um sich einen Anwalt leisten zu können, hatte kaum Chancen auf Entschädigung. Inzwischen hat sich die Situa­tion verbessert. Zu verdanken ist dies den in ­allen neun Bundesländern vertretenen Patientenanwaltschaften.

Patientenanwälte: 10.000 Hilfesuchende

Dass diese Einrichtung notwendiger ist denn je, zeigt ein Blick in die Statistik. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Hilfesuchenden bei den österreichischen Patientenanwältinnen und -anwälten von 5.451 (2002) auf 10.270 (2011) fast verdoppelt.

Juristische Fragen, Entschädigungsfonds

Juristische Fragen, Konflikte ohne Rechtsanspruch

Der Begriff "Anwaltschaft" ist dabei im besten Sinne des Wortes zu ver­stehen. Der Beistand für die Betroffenen ­beschränkt sich nämlich nicht auf juristische Fragen, sondern umfasst ausdrücklich auch Konfliktsituationen ohne Rechtsanspruch.

Patienten-Entschädigungsfonds

Häufig wird eine außergerichtliche Streit­beilegung erzielt. Dabei kann es auch zu Entschädigungszahlungen kommen, wenn keine eindeutige Haftung gegeben ist. Grundlage dafür bietet der Patienten-Ent­schä­digungs­fonds. Dafür leisten die Rechtsträger der ­öffentlichen Kranken­anstalten ihren Beitrag. Pro Tag und Person im Spital werden dem Fonds 73 Cent zugeführt.

Wenn stichhaltige Beweise fehlen

Zuwendungen aus dem Fonds können auch dann beansprucht werden, wenn kein Behandlungsfehler entdeckt oder ein im Spital erlit­tener Schaden nicht stichhaltig bewiesen ­werden kann.

Neben den Patientenanwaltschaften sind auch die Schiedsstellen von ­Ärzte- und Zahnärztekammer in die Bewertung der Schadensfälle eingebunden. In den vergangenen zehn Jahren haben die Entschädigungsfonds der Länder insgesamt etwa 50 Millionen Euro ausgezahlt.

Unterschiedliche Kompetenzen: Spital, Pflegeheim, niedergelassene Ärzte

Unterschiedliche Kompetenzen

Patientenanwältinnen und -anwälte sind wie erwähnt in allen neun Bundesländern vertreten, ihre Kompetenzen jedoch sind nicht überall gleich. Grundsätzlich nehmen sie sich der Probleme an, die im Zusammenhang mit einem Aufenthalt oder einer Behandlung im Spital auftreten. Bei niedergelassenen Ärzten sowie Pflegeheimen bestehen hin­gegen unterschiedliche Regelungen.

Im ­Burgenland sowie in Niederösterreich, Ober­österreich, der Steiermark, Vorarlberg und Wien sind auch die Pflegeheime einge­schlossen.

Entscheidend ist das Bundesland der Gesundheitseinreichtung

Im Burgenland, in Kärnten, ­Niederösterreich, der Steiermark, Vorarlberg und Wien werden auch Patientinnen und ­Patienten vertreten, die sich bei nieder­gelassenen Ärzten in Behandlung befinden. Entscheidend ist dabei nicht der Wohnort des Patienten, sondern in welchem Bundesland die Gesundheitseinrichtung liegt, gegen die eine Beschwerde einbracht wird.

Eine Übersicht dazu finden Sie in der Tabelle rechts.

Interview: Dr. Gerald Bachinger Sprecher ARGE Patientenanwälte

  Dr. Gerald Bachinger (Bild: Privat)
Dr. Gerald Bachinger

Was ist die Aufgabe der Patientenanwaltschaften, wann helfen sie weiter und wie können sich Patienten an sie wenden?

Antwort auf unsere Fragen gibt der Sprecher der ARGE der österreichischen Patientenanwälte und -anwältinnen, Dr. Gerald Bachinger.

Wie lassen sich die Aufgaben des Patientenanwalts in zwei Sätzen umschreiben?
Die Kernaufgabe ist das außergerichtliche Beschwerdemanagement bei Konflikten/Behandlungsfehlern im Gesundheitswesen. Dazu kommt in den letzten Jahren die Aufgabe der gesetzlichen Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten in den Strukturen des Gesundheitswesens.

Wann wende ich mich an den PA und wie gehe ich als Patient vor?
Bei Verdacht auf medizinische/pflegerische Behandlungsfehler oder gröberen Kommunikationsproblemen. Es ist ein niedrigschwelliger Zugang möglich, über Telefon, Mail, schriftlich oder persönlich.

Wann hilft der PA konkret weiter und wann stößt er an seine Grenzen?
PA können überall dort gut helfen, wo es die Bereitschaft von allen Seiten gibt, eine außergerichtliche Lösung zu erzielen. Wenn es unüberbrückbare Sachverhaltsprobleme gibt oder keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, kommen nur die Gerichte infrage.

Wie ist es um die Patientenrechte in Österreich bestellt, wo besteht Aufholbedarf?
Die gesetzliche Situation und Ausgangslage ist sehr gut (Patientencharta), die Umsetzung in der Praxis hat noch Lücken. Der Aufholbedarf ist bei den „neuen Patientenrechten“ am größten: etwa betreffend Partizipation, Qualitätstransparenz und Patientenorientierung bei den immer wieder angekündigten Reformschritten.

Warum sind die Verantwortlichkeiten in den Bundesländern unterschiedlich geregelt?
Das erklärt sich aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten und der Landeskompetenz, die hier oft bremsend wirkt.

Worin sehen Sie die größten Probleme?
Leider ist es nicht gelungen, alle Patientenanwaltschaften mit umfassender Zuständigkeit im Sinne eines "One-Stop-Shops" in allen Bundesländern einzurichten.

Tabelle: Zuständigkeiten Patientenanwaltschaften

Kontaktadressen: Patientenanwaltschaften in den Bundesländern

Burgenland

Patienten- und Behindertenanwaltschaft Burgenland
Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt
Tel. 057 600-2153, Fax 057 600-2171
E-Mail: post.patientenanwalt@bgld.gv.at
www.burgenland.at

Kärnten

Patientenanwaltschaft Kärnten
St.-Veiter-Straße 47, 9020 Klagenfurt
Tel. 0463 572 23-0, Fax 0463 538 23-195
E-Mail: patientenanwalt@ktn.gv.at
www.patientenanwalt-kaernten.at

Niederösterreich

NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft
Rennbahnstraße 29, Tor zum Landhaus, 3109 St. Pölten
Tel. 02742 9005-15575, Fax 02742 9005-15660
E-Mail: post.ppa@noel.gv.at
www.patientenanwalt.com

Oberösterreich

OÖ Patienten- und Pflegevertretung
Bahnhofplatz 1, 4021 Linz
Tel. 0732 7720-14215, Fax 0732 7720-214355
E-Mail: ppv.post@ooe.gv.at
www.land-oberoesterreich.gv.at

Salzburg

Salzburger Patientenvertretung
Sigmund-Haffner-Gasse 18/3, 5020 Salzburg
Tel. 0662 8042-2030, Fax 0662 8042-3204
E-Mail: patientenvertretung@salzburg.gv.at
www.salzburg.gv.at/patientenvertretung

Steiermark

PatientInnen- und Pflegeombudsschaft
Friedrichgasse 9, 8010 Graz
Tel. 0316 877-3350, Fax 0316 877-4823
E-Mail: ppo@stmk.gv.at
www.gesundheit.steiermark.at

Tirol

Patientenvertretung
Meraner Straße 5 (1. Stock), 6020 Innsbruck
Tel. 0512 508-7702, Fax 0512 508-7705
E-Mail: patientenvertretung@tirol.gv.at
www.tirol.gv.at/patientenvertretung

Vorarlberg

Patientenanwaltschaft für das Land Vorarlberg
Marktplatz 8, 6800 Feldkirch
Tel. 05522 815 53, Fax 05522 815 53-15
E-Mail: anwalt@patientenanwalt-vbg.at
www.patientenanwalt-vbg.at

Wien

Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft
Schönbrunner Straße 108, 1050 Wien
Tel. 01 587 12 04, Fax 01 586 36 99
E-Mail: post@wpa.wien.gv.at
www.wien.gv.at

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

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