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Verständigungsprobleme im Spital - Sprachbarrieren

Ein junger Mann kommt mit einem Trümmerbruch ins Krankenhaus. Da er nicht Deutsch kann, wird die sofort notwendige Operation um mehr als 24 Stunden verzögert. Die Folge ist eine Beinamputation.

Der Fall: Nach Trümmerbruch des Beins ins Spital

S. hat sich beim Sprung von einer Mauer verletzt. Die Rettung bringt ihn mit starken Schmerzen im Knie ins Spital. Der Befund ist eindeutig: Trümmerbruch. Eine sofortige Operation ist angezeigt.

Verständigungsprobleme verzögern Operation

Der 17-Jährige, ein begabter Nachwuchsfußballer, lebt erst seit Kurzem in Österreich und versteht nur sehr wenig Deutsch. Im Spital findet sich niemand, der sich mit ihm ausreichend verständigen kann. Aus Angst, man wolle sein Bein amputieren, lehnt S. die Operation in einer ersten Panikreaktion ab. Erst am nächsten Tag findet sich ein Arzt, der ihm die Notwendigkeit des medizinischen Eingriffs verständlich machen kann. Der Patient stimmt der Operation daraufhin zu.

Amputation des Beins unausweichlich

Zwei Tage danach zeigt sich eine starke Schwellung des Gewebes („Kompartmentsyndrom“). Es wird ein Unterdruck-Wundsystem (VAC) angelegt, das in den folgenden Tagen mehrmals operativ gewechselt wird. Die Entzündung weitet sich trotzdem aus. In den folgenden 14 Tagen muss S. sieben weitere Operationen über sich ergehen lassen. Sein Zustand verschlechtert sich zusehends, er erleidet einen septischen Schock. Wenige Tage später steht fest: Sein Bein muss oberhalb des Knies amputiert werden.

Intervention: Amputation durch frühere OP verhindern

Der Patient kontaktiert die Niederösterreichische Patientenanwaltschaft. Diese stellt fest, dass wegen der Verständigungsprobleme und der daraus resultierenden Missverständnisse die sofort notwendige Operation erst nach mehr als 24 Stunden durchgeführt wurde. In der Folge kam es zu Komplikationen, die man möglicherweise durch eine frühere Behandlung hätte verhindern können. Da S. keine Rechtsschutzversicherung besitzt, verzichtet er auf eine haftungsrechtliche Klage. Die Patientenanwaltschaft bringt den Fall beim Entschädigungsfonds ein.

Schadenersatz zugesprochen

Ergebnis: Patient erhält Entschädigung

Das medizinische Gutachten hält fest, dass bei einem Bruch dieser Art sofort operiert werden muss. Die Erfahrungen zeigen, dass bei Trümmerbrüchen an dieser Stelle rasch Durchblutungsstörungen und Schwellungen auftreten können. Durch die Sprachprobleme wurde eine bereits komplikationsträchtige Ausgangslage zusätzlich erschwert. Der Patient hat mittlerweile einen Schulabschluss nachgeholt, ist verheiratet und hat ein Kind. Seit der Amputation befindet er sich in einer sozialen Notlage. Sein Traum, sich in Österreich als Fußballspieler die Existenz zu sichern, ist geplatzt. Er ist auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Aus dem Entschädigungsfonds wurde ihm aufgrund der sozialen Notlage Schadenersatz zugesprochen.

Fazit: Videodolmetscher kann helfen

Die Niederösterreichische Patientenanwaltschaft fordert seit vielen Jahren Maßnahmen, um die Verständigung mit Menschen ohne Deutschkenntnisse im Krankheitsfall zu verbessern. Sie schlägt vor, ein System für Videodolmetscher, das bereits erfolgreich erprobt wurde, in allen Krankenanstalten und Ambulatorien rund um die Uhr zur Verfügung zu stellen.

VKI-Kooperation mit Patientenanwaltschaft NÖ

In unserer Rubrik "Patientenanwaltschaft" berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte befasst sind.

Die Niederösterreichische Patienten- und Pflegeanwaltschaft kritisiert die mangelhafte Verständigungssituation für fremdsprachige Patienten in Spitälern und fordert, dass in allen österreichischen Krankenanstalten ein System für Videodolmetscher eingeführt wird.

Niederösterreich
NÖ Patienten- und pflegeanwaltschaft
Rennbahnstraße 29, Tor zum Landhaus,
3109 St. Pölten,
Tel. 02742 9005-15575,
Fax 02742 9005-15660
E-Mail: post.ppa@noel.gv.at
Patientenanwalt Niederösterreich

 

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