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Smart Meter: Stromzähler neu - Datensammler im Zählerkasten

Smart Meter sind umstritten. Die intelligenten Stromzähler können mehr verraten, als den Konsumenten recht ist.

Smart Meter: In wenigen Jahren sollen nur mehr

Während in Wien und mehreren Bundesländern die ersten Testläufe in wenigen Tausend Haushalten starten und der Großteil der Stromkunden mit dem Thema noch wenig anfangen kann, ist es für rund 100.000 Kunden der Linz AG schon selbstverständlich, in ihrem Zählerkasten keinen schwarzen Stromzähler mehr hängen zu haben, sondern das weiße, digitale Smart Meter.

Ungefähr noch einmal so viele sind es beim zweiten oberösterreichischen Versorger, der Energie AG.

Standardmäßiger Gerätetausch betrifft ...

Die mit mechanischer Drehscheibe aus­gestatteten Ferraris-Zähler, benannt nach einem italienischen Physiker des 19. Jahrhunderts, sollen österreichweit im Zuge des standardmäßigen Gerätetausches durch "intelligente Messgeräte" – so die deutsche Bezeichnung – ersetzt werden.

... 95 Prozent aller Stromzähler

Die ober­österreichischen Versorger nehmen vorweg, was nach dem Smart-Metering-Zeitplan der Regulierungsbehörde E-Control bei uns schrittweise bis zum Jahr 2019 umgesetzt werden muss: der Austausch von 95 Prozent der heimischen Stromzähler oder mehr als 5 Millionen Stück.

4 Milliarden Euro Aufwand

Zählerkasten mit Smart Meter: In wenigen Jahren sollen nur mehr

Österreich erweist sich auf freiwilliger Basis als Musterschüler, denn laut EU-Vor­gaben müssen bis 2020 lediglich 80 Prozent der Haushalte auf Smart Meter umgerüstet sein. Der finanzielle Aufwand wird allein für Österreich auf bis zu 4 Milliarden Euro geschätzt.

Wer profitiert?

Wer profitiert?

Die große Frage ist, wer davon profitiert. Beginnen wir bei den Netzbetreibern: Diese stehen vor dem Problem, dass sie – vereinfacht gesagt – nicht wissen, was in ihren Netzen vorgeht. Anders als noch vor einigen Jahren speisen heute sehr viele größere und kleinere Erzeuger von erneuerbarer Energie (z.B. aus Windkraft oder Photovoltaik) diese ins Stromnetz, je nachdem, wie viel gerade aufgrund der Witterungsverhältnisse gewonnen wird. Dem steht ein gleichfalls schwankender Verbrauch gegenüber, der ebenso wenig überwachbar ist.

Smart Meter als Bestandteil der Smart Grids

Beides zusammen kann die Netzstabilität und somit die Versorgungssicherheit beeinträchtigen, weshalb an der Umrüstung auf sogenannte Smart Grids gearbeitet wird. Das sind „intelligente Netze“, die den Betreibern die Möglichkeit geben, einzugreifen und einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu schaffen. Smart Meter sind Bestandteil dieser modernen Netze, weil sie die aktuellen Verbrauchsdaten liefern. Und das praktischerweise aus der Ferne, denn sie ersparen die Ablesung vor Ort.

Tarifdschungel

Tarifdschungel

Die Stromversorger, die den Strom verkaufen, können flexible Tarife anbieten, je nachdem, zu welcher Tageszeit mehr oder weniger Energie benötigt wird und welche Geräte damit betrieben werden. Auf den ersten Blick erscheint dies als Vorteil für die Konsumenten, doch wohin das führen kann, sieht man beim Mobilfunk. Hier ist man mit einem Wirrwarr an Tarifen konfrontiert, bei dem man leicht den Überblick verliert und der einen objektiven Vergleich fast unmöglich macht.

Großes Tarifangebot auch in Deutschland

In Deutschland gibt es mittlerweile rund 2.000 unterschiedliche Stromtarife, was selbst die Online-Tarifvergleichsrechner überfordert. Und wer sagt, dass der Strom am Ende nicht genau zu jenen Tageszeiten am teuersten sein wird, wenn man am meis­ten davon benötigt?

Verbrauch abfragen - Strom sparen

Als größter Vorteil für die Konsumenten wird die Möglichkeit genannt, den täglichen Verbrauch online abzufragen und dadurch Strom zu sparen. Diverse Studien sprechen von bis zu 10 Prozent. In der Praxis immer noch als optimistisch einzuschätzen sind freilich jene 3 bis 5 Prozent, die ein Versuch der Linz AG ergeben hat. Dieser Wert wurde in ausgewählten Wohnanlagen erreicht, in denen die Haushalte aktiv betreut wurden.

Denn das regelmäßige Ablesen des Verbrauchs ist ja auch bei den heutigen Stromzählern möglich und führt für sich alleine noch zu keiner Einsparung. Man muss als Verbraucher selbst tätig werden bzw. braucht begleitende Beratung durch Fachleute.

Die Zeche zahlt der Konsument

Zukunftsaussichten: Steuerung mittels Smartphone

In naher Zukunft werden Haushaltsgeräte mit dem Smart Meter kommunizieren können. So wird man die Verbrauchswerte der einzelnen Geräte unterscheiden können und man wird z.B. über das Smartphone den Wäschetrockner dann starten können, wenn der Strom billiger ist. Bis zur Neuausstattung aller Haushalte wird aber noch ­einige Zeit vergehen und die erste Genera­tion der Smart Meter wird dann wohl schon Geschichte sein.

Die Zeche zahlt der Konsument

Die Hersteller geben die Lebensdauer ihrer Geräte mit 10 Jahren an – recht wenig im Gegensatz zu den gut 6 Jahrzehnten der Ferraris-Stromzähler. Wie immer bei neuen Technologien geht es auch ums große Geschäft, um das eine Reihe von Anbietern buhlt. Die Kosten für die Um­stellung werden insofern auf die Kunden überwälzt, als sie in die Messkosten hineingerechnet werden, woraus eine leichte Preiserhöhung resultiert.

Wie sieht die Ersparnis aus?

Auf der anderen Seite bewegen sich die zu erwartenden Einsparungen im niedrigen zweistelligen Euro-Bereich. Wer im Jahr z.B. eine Stromrechnung von 600 Euro hat und 3 Prozent einspart, steigt mit einem Gut­haben von rund 17 Euro aus. Bei 5 Prozent sind es ca. 28 Euro, wobei man natürlich auch in den Folgejahren dranbleiben muss, um weiterhin zu sparen.

Datenschutz, Fernabschaltung

Spion im Wohnzimmer

Während man in Deutschland nur private Großverbraucher mit mehr als 6.500 Kilowattstunden pro Jahr auf Smart Meter um­rüstet – nach einer Analyse durch den Stromversorger –, sollen in Österreich auch die privaten Haushalte umgestellt werden. Vom Tempo und den Kosten abgesehen, wird die Umstellung vor allem aus Datenschutzgründen kritisch beurteilt. Auch wenn derzeit nur einmal täglich eine Datenübertragung vorgesehen ist – der gesetz­liche Rahmen erlaubt mit Zustimmung des Kunden bis zu viertelstündliche Datenübermittlungen. Deutschen Wissenschaftlern ist es in einem Versuch gelungen, über Smart-Meter-Daten das Fernsehverhalten der Konsumenten auszulesen und zu erkennen, welchen Spielfilm sie gesehen haben. Das ist möglich, weil die Helligkeit des Bildschirms den Stromverbrauch beeinflusst.

Fernabschaltung umstritten

Die Fernabschaltung ist ein weiterer umstrittener Punkt. Nach dreimaliger Mahnung darf der Strom abgedreht werden, ohne dass sich jemand ein Bild von der Situation vor Ort macht. In den Niederlanden wird die Fernabschaltung nur mit Zustimmung des Kunden aktiviert. In Großbritannien gibt es mittlerweile Prepaid-Karten für Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten.

Viele offene Fragen

Bei Zweifeln am Schutz der intelligenten Messgeräte vor Hackerangriffen wird stets beschwichtigt. Eine Gefährdung sei auszuschließen, heißt es. Bei einem Eingriff von dritter Seite oder auch bei einem Softwarefehler könnte allerdings ein (Teil-)Ausfall des Netzes die Folge sein. Und wie, von wem und zu welchen Kosten werden die an die Stromversorger übermittelten gewaltigen Datenmengen gespeichert und verwaltet? Bisher gibt es keine Infrastruktur dafür.

Kunden sollen selbst entscheiden dürfen

Verbraucherorganisationen und Datenschützer fordern, dass Stromkunden selbst entscheiden dürfen, ob sie ein Smart Meter haben wollen. Dazu wurde unter Führung der Mietervereinigung die Petition: "Zwangszähler – nein Danke!" eingebracht.

Verweigerung möglich

Anfang Juli hat das Parlament den Bedenken der Kritiker Rechnung getragen. Die geplante Novelle zum ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz) wurde in letzter Minute überraschend abgeändert. Nun sieht das Gesetz das Recht eines Kunden vor, den Austausch des Stromzählers auf ein Smart Meter und damit die Auslesung des Stromverbrauchs im 15-Minuten-Takt sowie die Fernüberwachung zu verweigern.

Zusammenfassung

  • Hohe Kosten. Bis zu vier Milliarden Euro wird die Umstellung auf die „intelligenten Stromzähler“ kosten. Bezahlen wird es wohl der Konsument. Die Geräte­lebensdauer wird auf 10 bis 15 Jahre geschätzt.
  • Geringes Sparpotenzial. Dem stehen Einsparmöglichkeiten von drei bis fünf Prozent gegenüber – aber nur, wenn man bereit ist, die Verbrauchswerte einzelner Haushaltsgeräte genau zu studieren, und wenn man gleichzeitig die Möglichkeit hat, sein Nutzungsverhalten entsprechend umzustellen.
  • Der Kunde kann entscheiden. Aufgrund der Proteste wird im Gesetz festgeschrieben, dass ein Stromkunde den Einbau eines Smartmeters ablehnen kann.

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Kein Spareffekt

Wenn die Umstellung von ca. 5 Millionen Stromzählern 4 Milliarden € verschlingt, macht dies pro Stromzähler etwa 800 €. Ich habe einen Tagstrom- und einen Nachtstromzähler, das ergibt also 1.600 €. Die Einsparung bei Jahreskosten von 900 € betragen rund 36 € (Mittelwert von 4 %). Da die Kosten von 1.600 € in irgendeiner Form der Konsument zahlt, würde es für mich 45 Jahre dauern, bis ein Einspareffekt bemerkbar ist.

Bei einer Lebensdauer der SmartMeter von 10 Jahren sehe ich aber rechnerisch für den Kunden nur eine Kostenspirale und die Smart-Meter-Hersteller und Stromversorger als strahlende Gewinner.

Klaus Jusinger
E-Mail
(aus KONSUMENT 10/2013)

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