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Kunde König - Konsument 3/1999



Kunde König

Das Elend der Reichen und Schönen

Sind Sie ein unattraktiver Typ? Seien Sie froh. Dazu Kleinverdiener mit flacher Karrierekurve? Noch besser. Außerdem Raucher und vor Humorlosigkeit sprühender Stubenhocker? Perfekt!
Kann sein, daß Sie die positiven Seiten Ihres Lebens noch nicht erkannt haben. Vielleicht wäre es für Sie das höchste Glück, ein Top-Verdiener zu werden. Vielleicht hadern Sie auch mit dem Umstand, daß das Aufregendste in Ihrem Leben die Frage ist, ob Ihre Uralt-Rostschüssel am Morgen anspringen wird oder nicht.
Trösten Sie sich, denn Leute wie Sie haben offensichtlich keine Probleme, einen Partner zu finden.
Lesen Sie zum Beispiel dieses Inserat: „Charmante Lady, schlank, blond, herzeigbare Erscheinung, Top-Job und Niveau, wünscht sich einen Mann…“
Oder: „Mediziner, fesch, jugendlich, gepflegt, mit Esprit und Charisma…“
Noch eins, weil’s so schön ist: „Attraktiver Mann, mit Phantasie, Nichtraucher, vielseitig interessiert, sucht…“
Nehmen Sie eine Zeitung zur Hand und lesen Sie selbst. Ungeküßte Märchenprinzen sonder Zahl suchen Prinzessinnen, die ihrerseits warmherzig und niveauvoll auf der Suche nach einer nichtrauchenden Schulter zum Anlehnen sind. Warum können die zusammen nicht kommen, was läuft bei denen schief?
Lesen Sie noch ein paar Seiten, und Sie werden vieles sehen, nur eines nicht: „Leidenschaftlicher Biertrinker, um den Bauch herum gut gebaut, begeisterter Fernsehsportler, nur wenig Schulden, Nichtautofahrer, möchte seinen Aschenbecher nicht mehr alleine füllen und sucht schweigsame Frau. Doppelcouch vorhanden…“
Die brauchen, so scheint’s, keine Partnervermittlung, die müssen ihre Sehnsüchte nicht inserieren wie die Herzeigbaren, die Charmanten und die Gutsituierten.
Warum das so ist, weiß man nicht genau. Vielleicht handelt es sich um ausgleichende Gerechtigkeit.

KKönig

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