Zum Inhalt

Kunde König - Konsument 4/1999



Kunde König

Wenn Beamte ein Weltbild übermalen

Begibt sich die österreichische Seele in jene hohle Gasse, durch die jeder einmal kommen muß – den Amtsweg –, dann kann ihr folgendes widerfahren:
Ein Beamter, der freundlicher ist als ein Neuwagenverkäufer, der vor Hilfsbereitschaft strotzt und den amtlichen Vorgang schneller erledigt, als man „Stempelmarke“ sagen kann.
Da liegt zwischen Hineingehen und Hinausgehen so wenig Zeit, daß sich die österreichische Seele fast selbst begegnet. Deshalb ist sie freudig verwirrt, fühlt sich aber ein bißchen betrogen.
Weil: Es gehört quasi zum Erbgut des Österreichers, daß er von Beamten nichts Gutes erwartet. Das Schimpfen auf die Behörden ist ein Volkssport, mehr noch: ein in Generationen mühsam erworbenes Gewohnheitsrecht.
Wenn das mit einem Schlag wegfällt, fühlt der Österreicher innere Leere und leise Wehmut, weil seine Welt nicht mehr das ist, was sie war. Ja, als hätte der hilfsbereite Beamte sein Weltbild übermalt.
Wenn das zu oft und zu schnell passiert, könnte die österreichische Seele gefährlich aus dem Gleichgewicht geraten. Es ist deshalb von großer Wichtigkeit, daß die Tradition zumindest teilweise gewahrt bleibt.
Dazu brauchen wir den kleinlichen Paragraphenreiter, zäh wie Leder und widerwillig bis dorthinaus. Wir brauchen den herrischen Obertan, der dem Untertan barsch „Draußen warten!“ zuruft und sich dann eine Stunde lang seinem Leberkäse widmet. Wir brauchen die Nie-Zuständigen, die Bittsteller wie Flipperkugeln durchs Amt jagen, von einem Zimmer zum anderen.
Sie gewährleisten, daß der Bürger nach dem Amtsweg, wohlig vor Zorn erbebt und das vertraute „Es ist was faul im Staate Österreich...“ sprechen kann.
Das ist ein gewachsenes Brauchtum, das es zu schützen gilt vor übertriebenem Bürgerservice. Allerdings sollte man es nur beschränkt pflegen. Am besten in einem eigens eingerichteten Museumsamt. Wo die österreichische Seele nur hingehen muß, wenn sie Heimweh nach alten Zeiten hat.

Kkönig

Wir empfehlen auf konsument.at

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang