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Bekleidungsindustrie - Blut, Schweiß und Tränen

Ein Großteil unserer Bekleidung wird unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt. Die Clean Clothes Kampagne kämpft gegen diese moderne Sklaverei an.

Auf der Suche nach Flexibilität und Kostengünstigkeit hat die Bekleidungsindustrie die Dritte Welt entdeckt: Betrug der Anteil der Entwicklungsländer an der Weltausfuhr im Bereich Bekleidung 1955 lediglich zehn Prozent, waren es 1995 bereits rund 70 Prozent. Billig für den Weltmarkt produziert wird in so genannten Freien Produktionszonen (auch als Freihandelszonen, Freie Wirtschaftszonen oder ähnlich bezeichnet). Das sind Wirtschaftsenklaven innerhalb eines Landes, in denen Regierungen durch Investitionsanreize (Zoll- und Steuerfreiheit, kostenlose Infrastruktur, aber auch Vernachlässigung von Arbeitnehmerrechten und Umweltschutzvorschriften) sowie durch billige Arbeitskräfte ein für ausländische Investoren besonders günstiges Klima schaffen.

Gefängnisähnliche Produktionsstätten

Die Freien Produktionszonen in Asien, Lateinamerika und Afrika gleichen häufig Gefängnissen: Sie sind umgeben von hohen, mit Stacheldraht bewehrten Mauern und Wachtürmen. An den Eingängen stehen bewaffnete Wächter. Doch auch so genannte Hinterhof- und Garagenfabriken (in den USA „Sweatshops“ genannt) sind mitunter wie Gefängnisse bewacht. Und diese gibt es in Europa ebenso wie in den USA. In Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Holland und Spanien arbeiten über 150.000 Menschen in solchen nicht registrierten Hinterhoffirmen. In Belgien beträgt dieses Segment des Arbeitsmarktes geschätzte 15 Prozent des gesamten Bekleidungssektors.

Leid und Erpressung

Noch schlimmer ist es nur in den Entwicklungsländern: Auf den Philippinen etwa nähen schätzungsweise 700.000 Arbeitskräfte in Hinterhofunternehmen. Dazu kommt noch ein Heer von Heimarbeiterinnen in den Entwicklungs-, aber auch in den Industrieländern. Sie gelten als besonders „flexibel“: Bei Auftragseinbrüchen kann man sich ihrer sofort entledigen. Das Leid der Arbeiterinnen ist für uns kaum vorstellbar: Wochenarbeitszeiten von bis zu 75 Stunden sind ebenso üblich wie die Erzwingung von Überstunden. Schwangere Frauen werden einfach entlassen oder vor die Alternative Abtreibung gestellt. Freie Meinungsäußerung wird brutal unterdrückt. Selbst sexuelle Erpressung, Vergewaltigung bis hin zum Mord ist keine Seltenheit.

Lohn der Angst

Kaum zu glauben: Die Arbeitskosten für Jeans betragen im Durchschnitt ein Prozent des Verkaufspreises. Monatslöhne unter 1000 Schilling sind keine Seltenheit. Und wem kommt dieses Vorgehen der Bekleidungsindustrie zugute? Hersteller und Handel sagen natürlich, den Konsumenten. Auch österreichische Konsumenten glauben, dass die Produktion in Billiglohnländern für sie besondere Preisvorteile bietet. Doch das ist nur eine Seite der Medaille: Aufgrund von Strukturwandel und Globalisierung verringerte sich die Anzahl der Betriebe in der österreichischen Bekleidungsindustrie seit 1972 kontinuierlich. Während damals noch 570 Unternehmen mit 40.236 Arbeiterinnen und Arbeitern in diesem Bereich tätig waren, sanken die Zahlen bis 1994 auf nur mehr 145 Betriebe mit 13.086 Beschäftigten.

Eine Kampagne entsteht

Ende der 80er-Jahre untersuchte das niederländische Institut Somo die Produktionsbedingungen bei C & A und seinen Zulieferbetrieben. Die erschütternden Ergebnisse und die Erkenntnis, dass nationale Regierungen sich kaum für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen würden und auch keine der bestehenden internationalen Organisationen sich dieses Themas annahm, führten 1990 in Amsterdam zur Gründung der Clean Clothes Kampagne. Sie soll durch den Einsatz der Macht der Konsumenten zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern, also zu einer „sauberen“ Produktion führen. Mittlerweile haben sich in verschiedenen Ländern Initiativen aus einem breiten Spektrum gesellschaftlicher Gruppierungen gebildet, die in Form eines Netzwerks zusammenarbeiten.

Internationaler Kodex

Vorerst wurde ein Kodex erstellt, der auf den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) basiert. Dieser soll für Handel, Produzenten und Zulieferer gelten; verantwortungsvolle Unternehmen können sich zu dessen Einhaltung freiwillig verpflichten und unabhängige Kontrollen zulassen.

Auflehnung der Unternehmen

Zunächst lehnten die Unternehmen Gespräche ab, Anschuldigungen wegen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten wurden als üble Nachrede abgetan.

Druck von Konsumenten

Doch die Clean Clothes Kampagne verfolgt auch das Ziel, dass Konsumenten Druck auf Unternehmen der Bekleidungsbranche ausüben – durch Brief-, Postkarten- und Telefonaktionen, bis hin zu Boykottandrohungen. Konsumenten empfiehlt Clean Clothes darüber hinaus, sich bei Modehäusern, Sportartikelgeschäften und Versandhäusern zu informieren, wie die von ihnen bevorzugten Produkte hergestellt wurden. Hintergrund: Je mehr und je öfter Konsumenten danach fragen, desto mehr werden Handel und Hersteller unter Druck gesetzt, sich dieses Themas anzunehmen.

Unabhängige Kontrollore

Mittlerweile wurde von so manchen Bekleidungskonzernen plötzlich Gesprächsbereitschaft signalisiert. Einige schufen selbst ausgearbeitete Verhaltenskodizes. Überprüft wird deren Einhaltung allerdings von Agenturen und Beratungsunternehmen, die von den Konzernen beauftragt und bezahlt werden und somit nicht unabhängig sind. Die Zulassung unabhängiger Kontrollen der Produktionsbedingungen ist denn auch der Hauptgrund für die Bekleidungskonzerne, dem Clean-Clothes-Kampagne-Kodex reserviert gegenüberzustehen.

Hauptproblem: Kontrolle

Klarheit, welche Marken oder Handelsketten denn aus ethischer Sicht zu bevorzugen wären, kann allerdings auch Clean Clothes den Konsumenten noch nicht bieten. Dazu Christian Mücke von Clean Clothes: „Die Schlüsselfrage bei der Erstellung eines verlässlichen Rankings ist die Entwicklung eines tauglichen Monitoring-Systems. Die Kampagne selbst konnte in den letzten beiden Jahren durch Pilotprojekte mit mehreren Unternehmen wertvolle Erfahrungen sammeln, die unser Monitoring-Verständnis entscheidend verbessert haben.“ Doch solange es ein solches System nicht gibt, können die Konsumenten zu fairen Produktionsbedingungen am besten durch Unterstützung einzelner Clean Clothes-Kampagnen beitragen (siehe „Kontakt und Informationen“).

Trägerorganisationen der Clean Clothes Kampagne in Österreich sind die Diözesankommissionen und Referate für Weltkirche und Entwicklung, die Frauensolidarität, die Informationsgruppe Lateinamerika (IGLA), die Missio Austria sowie die Südwind Agentur.

Nähere Informationen:

Clean Clothes Kampagne, c/o Frauensolidarität, 1090 Wien, Berggasse 7
Tel.: (01) 317 40 20-352
Fax: (01) 317 40 20-355
E-Mail: fsoli@magnet.at
Internet: www.oneworld.at/cleanclothes, www.cleanclothes.org 

Die Mindeststandards des Clean-Clothes-Kampagne-Kodex

Freiwillige Beschäftigung
Keine Zwangsarbeit, einschließlich Sklaven- oder Gefängnisarbeit

Keine Diskriminierung
Chancengleichheit und Gleichbehandlung ungeachtet der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Religion, der politischen Meinung, der Nationalität, der sozialen Herkunft oder anderer Unterscheidungsmerkmale

Keine Kinderarbeit
Keine Einstellung von Arbeiterinnen und Arbeitern, die jünger als 15 Jahre sind oder das Pflichtschulalter noch nicht überschritten haben

Vereinigungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen
Anerkennung des Rechts aller Arbeitnehmer, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, sowie des Rechts auf Tarifverhandlungen

Zahlung angemessener Löhne
Zahlung von Löhnen und Bieten sonstiger Leistungen, die zumindest den gesetzlichen Mindestlöhnen entsprechen und ausreichen, um die Grundbedürfnisse der Arbeitnehmer und ihrer Familien zu erfüllen

Keine überlangen Arbeitszeiten
Maximale regelmäßige Arbeitszeit 48 Stunden bei mindestens einem freien Tag pro Woche, Überstunden auf freiwilliger Basis unter Abgeltung mit einer Mehrarbeitszulage

Menschenwürdige Arbeitsbedingungen
Sichere und hygienische Arbeitsumgebung, größtmöglicher Gesundheits- und Sicherheitsschutz, keine körperliche Misshandlung und ihr Androhen, keine sexuelle Belästigung sowie andere Einschüchterungen durch den Arbeitgeber

Festes Beschäftigungsverhältnis
Einhalten arbeits- und sozialrechtlicher Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten, die sich aus einem regulären Beschäftigungsverhältnis ergeben

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