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Briefzustellung - Chaos im Postkastl

Das Ende des Postmonopols freut private Zustelldienste, doch die Rechnung soll der Konsument zahlen.

Private an der Tür

Laut der jüngst beschlossenen Novelle des Postgesetzes soll künftig auch alternativen Zustelldiensten die Benutzung der Hausbriefkästen ermöglicht werden. Viele Detailfragen dazu sind allerdings noch offen, die erst im Rahmen einer Durchführungsverordnung zu klären sein werden. Wieweit dabei neben den Wünschen von Post und anderen Zustellern auch die Wünsche der Konsumenten berücksichtigt werden, ist unsicher. Besonders rosig sind die Aussichten jedenfalls nicht, stellt das Gesetz doch eines schon deutlich klar:

Konsumenten zahlen

Die Kosten der Umrüstung haben nicht die Nutznießer der neuen Regelung, nämlich Versender und Zustelldienste, zu tragen, sondern das Gesetz fordert: "Der Gebäudeeigentümer hat eine Brieffachanlage zu errichten…" Mieter können sich freuen, denn diese Kosten fallen eindeutig nicht in die Betriebskosten; Wohnungseigentümer werden jedoch, so wie es derzeit aussieht, zur Kasse gebeten – allen Protesten zum Trotz.

Was geschieht mit Postkästchen?

Die erste große Frage dabei ist aber: Was geschieht mit den rund 1,1 Millionen Postkastln, die derzeit im Eigentum der Post stehen? Wer ist in diesem Fall für den Umbau beziehungsweise Abbau und Neuerrichtung zuständig, wer muss hier die Kosten tragen, welche Mitspracherechte bekommen Hauseigentümer, falls die Post umrüstet und die Kosten den Eigentümern verrechnet?

Nur zwei Jahre Zeit

Der Umbau betrifft dabei alle Häuser mit vier und mehr Parteien, in denen die Hausbrieffachanlagen künftig nicht mehr ausschließlich über das Öffnen des Türchens zu befüllen sein sollen, sondern auch einen Einwurfschlitz aufweisen müssen. Neubauten sollen gleich beim Errichten entsprechend ausgerüstet werden, Ersatzvornahmen sollen ebenfalls den neuen Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden, und alle übrigen bestehenden Postkastln müssen bis Anfang 2006 umgerüstet sein.

Einer für alle

Wobei es – zumindest vorerst – nicht um das Zustellen der üblichen persönlich adressierten Briefe und persönlich adressierter Werbung geht (in diesem Bereich bleibt das Postmonopol noch aufrecht), sondern um Zeitungen, Postsendungen mit mehr als 100 Gramm sowie nicht persönlich adressierte Werbung. Persönlich adressierte Sendungen ohne personenbezogenen Inhalt wie etwa bestellte Kataloge oder Clubzeitschriften sind ebenfalls einbezogen. Auch Botendienste sollen diesen Zugang nutzen können. In einem weiteren Schritt wird EU-weit das Postmonopol weiter eingeschränkt: von 100 Gramm auf Sendungen unter 50 Gramm. Aber auch dann wird der Großteil der herkömmlichen Briefsendungen der Post vorbehalten bleiben, da rund 80 Prozent der Briefe im Bereich von 20 Gramm liegen. Weitere Liberalisierungsschritte sind, zumindest offiziell, vorläufig nicht bekannt.

Von der Tür zum Brieffach

Bis auf weiteres geht es also darum, all das, was derzeit vor den Wohnungstüren landet, in den Briefkasten zu stecken. Damit treten die nächsten Fragen auf. Wer auf Urlaub fährt, kann sich derzeit die Post nachsenden oder am Postamt hinterlegen lassen. Überfüllung oder auffällig viel Post kann solcherart vermieden werden, ohne anderen Personen den Schlüssel zum eigenen Postfach anvertrauen zu müssen. Werden die alternativen Verteiler auch einen solchen Service bieten?

Bitte keine Werbung

Viele Konsumenten verzichten auch auf Werbezusendungen. Sie haben an der Türe einen „Bitte keine Werbung“-Aufkleber und im Postkastl ebenfalls einen Hinweis, dass sie keine Zusendungen wollen, die nicht persönlich adressiert sind (siehe dazu: "Stopp der Werbeflut"). Werden die alternativen Zusteller sich auch an die bestehenden Regeln halten oder wieder neue Pickerln verlangen, in der Hoffnung, dass es manchen Konsumenten doch zu blöd wird und sie sich mit der Werbeflut abfinden?

Hereinspaziert

Die Erwartung, dass mit den neuen Kästen wenigstens keine hausfremden Personen mehr im Stiegenhaus unterwegs sein werden, wird auch enttäuscht. Der Schlitz muss so beschaffen sein, "dass jedenfalls die Abgabe von Postsendungen, ausgenommen Pakete, ohne Schwierigkeiten gewährleistet ist und die Sendungen vor dem Zugriff Dritter geschützt sind". Die Frage, was nun als "ausreichend groß" gilt, ist insofern interessant, als auch sperrige Wochenendzeitungen und Versandhauskataloge zunehmend von alternativen Zustelldiensten verteilt werden. Schlitze, die der derzeit geltenden, EU-konformen ÖNORM entsprechen, sind so dimensioniert, dass ein 2,4 Zentimeter dickes A4-Paket plus Kuvert eingeworfen werden kann.

Probleme mit dicken Katalogen

Probleme mit Versandhauskatalogen oder größer dimensionierten Zeitungen sind also vorprogrammiert, montiert man der ÖNORM beziehungsweise EU-Norm entsprechende Postkastln. Andererseits: Je breiter der Schlitz, desto leichter kann missbräuchlich von außen zugegriffen werden. Der Werbemittelverteiler Feibra, mittlerweile eine Tochter der Post, meint überdies, dass zwar Interesse an der Nutzung der Postkastln bestünde, man sich jedoch nach den Wünschen der Auftraggeber richten müsse, und wenn diese weiterhin die Zustellung zur Wohnungstür wünschten, so würde man diesem Auftrag selbstverständlich nachkommen. 

Umrüsten kaum möglich

Nach der Önorm-Definition bedeutet „ausreichend groß“ jedenfalls, dass eine Umrüstung der bestehenden Postkastln technisch gesehen wohl schwer bis gar nicht möglich sein wird. Was ist also zu beachten, wenn neue Hausbrieffachanlagen errichtet werden? Nun, die Anlage muss laut Gesetz zumindest so viele Brieffächer enthalten, wie es der Anzahl der Adressen im jeweiligen Gebäude entspricht. Praktisch sind Brieffächer mit waagrechtem Schlitz, in denen die Post nicht wie gewohnt stehend, sondern liegend gelagert wird, da es so weniger leicht zu Papierstaus kommt. Die Frage, ob die neuen Postkastln im Stiegenhaus oder vor dem Haustor errichtet werden, ist in erster Linie eine des persönlichen Geschmacks.

Drinnen oder draußen?

Gegen die Errichtung außerhalb des Hauses spricht das Risiko von Vandalismus und Diebstahl der Post. Der Diebstahl kann allerdings im geschützten Stiegenhaus genauso gut, wenn nicht sogar ungestörter passieren. Und eine Gegensprechanlage bietet mittlerweile kaum mehr Schutz vor hausfremden Personen, denn der zentrale Zugangsschlüssel ist längst nicht mehr nur in Händen von Briefträgern, Feuerwehr und Polizei. In manchen Fällen werden auch Denkmal- oder Ensembleschutz zu beachten sein.

Stopp der Werbeflut

Wer auf Zusendungen "An einen Haushalt" im Postkastl verzichten möchte, unterschreibt am Postamt eine entsprechende Erklärung. Nehmen Sie Meldezettel und Lichtbildausweis mit.

Persönlich adressierte Werbung kann man mit einer Eintragung in die "Robinson Liste" vermeiden. Senden Sie dazu eine Postkarte mit entsprechendem Text an den Fachverband Werbung in der Wirtschaftskammer Österreich, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien.

Die Werbung, die mit der Telefonrechnung kommt, kann man bei der Telekom Rechnungsstelle unter Angabe von Adresse und Telefonnummer abbestellen. Vordrucke für diese Verzichtserklärungen erhalten Sie bei der Umweltberatung Wien unter der Telefonnummer
(01) 803 32 32 sowie als Download auf www.umweltberatung.at in der Rubrik Bestellservice/Abfallwirtschaft.

Wer keine Werbung an der Türe möchte, teilt dies dem Postfach 7000 in 1171 Wien mit und ersucht um einen entsprechenden Aufkleber für die Wohnungstüre. Legen Sie ein frankiertes und adressiertes Rückkuvert bei.

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