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Reparieren im R.U.S.Z. - Weg vom Wegwerfen

R.U.S.Z, das Reparatur- und Service-Zentrum in Wien, ist ein Vorzeige­betrieb in Sachen Sozialwirtschaft und Nachhaltigkeit. KONSUMENT hat es besucht und seinen Geschäftsführer Sepp Eisenriegler gesprochen.

Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z

Im Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z in Wien-Penzing herrscht eine familiäre ­Atmosphäre: Soeben wird ein Techniker mit Umarmung und den Worten „Liebe Grüße an deine Familie“ vom Geschäftsführer höchstpersönlich verabschiedet.

„Ich bin als Chef auch Vertrauensperson für meine ­Mitarbeiter, die wissen, dass sie jederzeit mit ihren Sorgen zu mir kommen können“, erzählt Sepp Eisenriegler, der das R.U.S.Z 1998 als sozialökonomischen Betrieb gegründet und 2007 privatisiert hat. Die Mit­arbeiter, zurzeit 19 an der Zahl, sind ehe­malige Langzeitarbeitslose, die hier zu ­Spitzentechnikern ausgebildet wurden.

„Länger nutzen statt öfter kaufen“

So lautet das Mission Statement des R.U.S.Z. Den Anstoß für die Gründung gab die Begegnung Eisenrieglers mit einem Kundendiensttech­niker, der seinen Geschirrspüler reparieren sollte: „Das Urteil des Technikers lautete, das Gerät sei älter als fünf Jahre, daher zahle sich eine Reparatur nicht mehr aus. Ohne das Gerät auch nur berührt zu haben.“

Eisen­riegler dachte nicht daran, den Kundendienstmitarbeiter so leicht davonkommen zu lassen und überredete ihn, sich den Geschirrspüler genauer anzusehen. Und siehe da: Das einzige Problem war ein verstopfter Schlauch, der ausgeblasen werden musste. Der Geschirrspüler funktioniert heute, nach 15 Jahren, immer noch.

Geburtsstunde von R.U.S.Z

„Damals beschloss ich, den Kundendiensten, die als verlän­gerter Arm der Verkaufsabteilung agieren, etwas entgegenzusetzen – nämlich seriöse Reparaturdienstleistungen“, erzählt der kämpferische Wiener. Das war die Geburtsstunde von R.U.S.Z; ein Jahr später folgte, um der großen Nachfrage gerecht zu werden, das Reparaturnetzwerk Wien. „Ressourcenschonung und -effizienz ist unser übergeordnetes Ziel“, so Eisenriegler. „Jedes Kind kapiert, dass unser Planet nur begrenzt Ressourcen zur Verfügung hat. Es wird Zeit, dass das auch konservative Ökonomen wahrhaben.“

Reparaturen vor Ort

Ersatzteile in Hülle und Fülle

Wenn man in die Tiefen des R.U.S.Z eintaucht, tut sich eine Welt auf, die das Sammler- und Bastlerherz höherschlagen lässt: Im Lager finden sich rund 20.000 gebrauchte Ersatzteile für Haushaltsgeräte, die sonst oft nicht mehr erhältlich sind.

„Ein Gitterkorb für einen Geschirrspüler kostet rund 100 Euro. Oft wird ein Geschirrspüler entsorgt, weil der bestehende Gitterkorb in der Plastikummantelung einen Riss hat“, erklärt Eisenriegler. „Die Folge: Rost und kein ordentliches Spülergebnis.“ Daneben bietet das Ersatzteil­lager rund 1.000 Motoren für Wasch­maschinen, alte Programmwahlschalter, die am Markt nicht mehr zu bekommen sind, Pumpen, Niveauschalter und vieles mehr.

Reparaturen auch vor Ort

Repariert werden im R.U.S.Z Fernsehgeräte, Computer, Waschmaschinen oder Geschirrspüler. Bei Bedarf kommt auch ein Techniker ins Haus: Für die Anfahrzeit sind 48 Euro zu bezahlen, die erste halbe Stunde kostet noch einmal 48 Euro. „Wenn ich gleich reparieren kann, also das benötigte Material dabeihabe, reicht die halbe Stunde meist aus“, erzählt Christoph Stransky, Außendienstmitarbeiter beim R.U.S.Z.

Preiswerter Service

Muss ein Ersatzteil besorgt werden, so wird keine zweite Wegkostenpauschale verrechnet. „Mit diesen 96 Euro sind wir mit Abstand die Günstigsten unter den seriösen Anbietern“, ergänzt Eisen­riegler stolz. „Dem Preis liegen kalkulierte Kosten zugrunde. Im Gegensatz zu anderen Firmen bezahlen wir unsere Mitarbeiter nach dem Metaller-KV, das ist der teuerste Kollektivvertrag, den es gibt. Dazu kommt das ­Auto, das der Techniker benützt, und die Stundenauslastung.“

Der Geschäftsführer kümmert sich auch noch um Administration und Marketing, um die Kosten niedrig zu ­halten, und verbringt bis zu 15 Stunden täglich im Geschäft. „Wir arbeiten kostendeckend und machen keinen Euro Gewinn.“

Second Hand, Geplante Obsoleszenz

Second Hand

Auch Second-Hand-Geräte bietet das R.U.S.Z an: Auf Basis einer Kooperation mit der Stadt Wien erhält der Betrieb Elektro­altgeräte, die repariert und günstig zum Kauf angeboten werden. Nach dem Vorbild der vom R.U.S.Z mit entwickelten Ö3-Wundertüte, einem der weltweit erfolgreichs­ten Handy-Sammel­systeme, läuft seit 2010 die Aktion „Spenden Sie Ihre alte Wasch­maschine“. Die reparierten Waschmaschinen werden zu einem günstigen Preis zum Kauf angeboten.

Energie- und Ressourceneffizienz kein Widerspruch

Mit dem sogenannten „Waschmaschinen­-Tuning“ bewies Eisenriegler, dass Energie- und Ressourceneffizienz kein Widerspruch sind: Unter der Leitung von Toni Turina, ­einem Mitarbeiter des R.U.S.Z, wurde eine Methode entwickelt, die den Wasserverbrauch von Waschmaschinen senkt und ­somit deren Energieklasse von D auf A verbessert.

Turina wurde als Langzeitarbeits­loser vom AMS geschickt und sollte von ­Eisenriegler weitervermittelt werden. „Da ich rasch Turinas Potenzial erkannte, behielt ich ihn gleich hier. Er baute die Abteilung Unterhaltungselektronik auf und setzte später die Idee für das Waschmaschinen-Tuning um.“ Das Projekt wurde vom Klima- und ­Energiefonds gefördert, für die Umsetzung bekam das R.U.S.Z den Energy Globe Award in der Kategorie Wasser.

Geplante Obsoleszenz

Sepp Eisenriegler wird in seinem Betrieb ­immer wieder Zeuge der sogenannten geplanten Obsoleszenz: „Bei Waschmaschinen ist das Lager oft in einen Plastikbottich eingepresst. Durch zu schwache Stoßdämpfer geht das Lager kaputt und kann nicht mehr getauscht werden“, erklärt Eisenriegler. „Dann müsste man den ganzen Bottich ­inklusive Lager und Trommel als Ersatzteil bestellen, was genauso viel kostet wie eine neue Billigwaschmaschine.“

Ein weiteres Beispiel sei die eingepresste Grafikkarte in Laptops oder der fest eingebaute Akku bei iPhone oder iPod: „Das sind Wegwerfprodukte, worüber die Konsumenten beim Kauf aber nicht ausreichend informiert werden.“ Eisenriegler empfiehlt, beim Kauf von ­Elektrogeräten auf den Preis zu schauen: „Je ­teurer die Produkte, desto hochwertiger und langlebiger sind sie im Allgemeinen auch.“

Kauf- und Mietleasing für hochwertige Haushaltsgeräte

Kauf- und Mietleasing für hochwertige Haushaltsgeräte

Da sich aber nicht jeder Konsument eine Waschmaschine um 1.000 Euro oder mehr leisten kann, arbeitet Eisenriegler an Finanzierungsmodellen wie dem Kauf- und Mietleasing für hochwertige Haushaltsgeräte. Dadurch sollen sie auch einkommens­schwachen Verbrauchern zur Verfügung stehen. Eisen­riegler favorisiert sogenannte Produkt­dienst­leis­tungssysteme (Produkt mieten – ­Leistung und Service nutzen): „Man muss nicht alles ­besitzen“, lautet Eisenrieglers Credo.

Soziales und nachhaltiges Denken

Dieses soziale und nachhaltige Denken zieht sich durch Eisenrieglers Lebenslauf: Nach ­einem Lehramtsstudium baute er die Umweltberatung Wien mit auf, in der er sich bald auf Abfallwirtschaft spezialisierte. Er hielt Vorträge in Schulen und Kindergärten, um das Bewusstsein für gezielten Konsum und Abfallvermeidung zu schaffen. Als Präsident von RREUSE, dem EU-weiten Dach­verband für Sozialwirtschaft, gelang es ihm, Gesetze mitzugestalten, die einen wesentlichen Einfluss auf die Nutzungsdauer von Produkten haben.

2009 bekam das R.U.S.Z den Österreichischen Klimaschutzpreis für das Gesamtkonzept einer Energieberatung – Langzeitarbeitslose wurden eingeschult, um einkommensschwache Menschen bezüglich Einsparungen auf Augenhöhe zu beraten. „Was mich bei meiner Arbeit immer bewegt hat, war es, Menschen zu helfen, Obdach­losen, Haftentlassenen, Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu bieten.“

Visionen für die Zukunft

Der Visionär hat noch viel vor: Sein größter Wunsch ist eine ökologische Steuerreform, die Arbeit billiger, aber Rohstoffe teurer macht: „Das würde das Aus für Wegwerfprodukte bedeuten.“ Sein Engagement für eine bessere Welt erklärt der Wiener so: „Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht nur auf der Welt sind, um in einer Spaßgesellschaft zu leben, sondern auch die Verantwortung dafür tragen, positive Spuren zu hinterlassen.“

Reparatur- und Service-Zentrum: 1140 Wien, Lützowgasse 12–14,­ Montag bis Freitag von 9.00 bis 17.00 Uhr, Tel. 01 982 16 47 15; www.rusz.at.

Wo finde ich Reparaturbetriebe?

Reparieren (Foto: RepaNet) Eine Orientierungshilfe bieten die Reparaturführer für Wien bzw. Österreich, die Betriebe über alle Branchen hinweg auflisten. Doch leider sind die lokalen Netzwerke derzeit noch sehr lückenhaft. Im Wesentlichen beschränkt sich das Angebot auf Wien (53 Betriebe), Graz (20), Liezen (13) sowie Oberösterreich (17, davon 11 in Ried).

Natürlich gibt es auch anderswo eine Reihe von Reparaturstellen. Vor allem Schuster und Schneider finden sich zum Glück in vielen Städten bzw. Stadtteilen.

Ein Blick ins Branchenverzeichnis der Telefonbücher lohnt sich.

Reparaturbetriebe in Wien: www.reparaturnetzwerk.at
Reparaturbetriebe in Österreich: www.repanet.at

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Auf weitere Städte ausdehnen

Es wäre wunderbar, wenn so ein Angebot auf weitere Städte (Linz, Graz, Salzburg) ausgedehnt werden könnte! Hätten wir nicht einen HTL-Absolventen in der Familie, hätten wir schon oft Haushaltsgeräte wegwerfen müssen, die aufgrund winziger Obsoleszenz-Schäden plötzlich nicht mehr funktionierten.

Beide Daumen hoch für so ein großartiges Angebot, das nicht nur die Lebensdauer von Geräten enorm verlängert, sondern endlich auch Langzeitarbeitslosen wieder Mut und Beschäftigung gibt!

User "0809brigitte"
(aus KONSUMENT 5/2014)

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