Zum Inhalt

Private Pflegeversicherungen - Teuer erkauft

Privat für den Pflegefall vorzusorgen ist – wenn überhaupt – nur für höhere Pflegestufen leistbar und eher dann sinnvoll, wenn vorhandenes Vermögen erhalten werden soll. Überlegenswert sind Einmalerläge im fortgeschrittenen Alter.

Der Blick in die Zukunft geht immer mit ­Ungewissheiten einher, aber gerade bei der Bevölkerungsentwicklung lässt sich vieles ziemlich treffsicher vorhersagen. Laut einer UN-Prognose sollen im Jahr 2040 mehr als 800.000 Österreicher – also jeder zwölfte Bürger – über 80 Jahre alt sein.

Noch ­werden 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause betreut – rund 50 Prozent von ­ihren Familien, die restlichen 30 Prozent durch mobile ­Dienste oder im Rahmen einer 24-Stunden-Betreuung. Sicher ist aber auch, dass immer mehr alte und betagte Menschen in den kommenden Jahren weniger oder gar keine Kinder haben werden, die sie im Pflegefall finanziell oder durch eigene Pflegeleistungen ­werden unter­stützen können.

Deutlich weniger Versicherungsangebote

Ein zukunftsträchtiges ­Geschäftsfeld für Anbieter pri­vater Pflegeversicherungen, möchte man meinen, denn im Pflegefall leisten diese entsprechend den gesetzlichen Pflegestufen Zuschüsse zum staatlichen Pflegegeld. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Seit Beginn der privaten Pflegeversicherung vor einigen Jahren hat sich die Zahl der Anbieter halbiert, nur noch sechs Assekuranzen sehen Pflegepolizzen vor.

Soziales Auffangnetz

Wir haben uns im Auftrag der Arbeiterkammer Wien anhand einiger Prämienbeispiele angesehen, warum private Pflegeversicherungen aus Konsumentensicht offenbar kein Renner sind und wie sich die Prämien seit der letzten Erhebung entwickelt haben (siehe Kapitel "Prämien deutlich erhöht").

Ein Grund für die Zurückhaltung mag sein, dass das bestehende gesetzliche System Pflegebedürftige nach wie vor zuverlässig auffängt. Die staatlichen Zuschüsse sind nicht üppig, gewährleisten aber in jedem Fall, dass niemand im Bedarfsfall hilflos sich selbst überlassen wird.

Persönliches Kapital schützen

Der Pflege­regress, also der staatliche Zugriff auf das Geld der Kinder, um die Kosten für ein ­Pflegeheim für die Eltern (mit)zufinanzieren, wurde österreichweit abgeschafft. Wirklich wichtig ist die private Vorsorge daher in erster Linie für Menschen mit größerem Vermögen, die vermeiden möchten, dass im Pflegefall auf ihr persönliches ­Kapital zurückgegriffen wird.

Für stärker Pflegebedürftige

Für stärker Pflegebedürftige

Gegen eine private Pflegevorsorge spricht auch, dass viele Tarife erst Leistungen ab Pflegestufe 3 oder 4 vorsehen. Mit gutem Grund: Mehr als 50 Prozent der Pflegebedürftigen fallen unter die Stufen 1 und 2 und würden somit trotz privater Pflege­vorsorge keine Zuzahlungen aus ihrer Versicherung erhalten.

Wer auch die unteren Stufen abgedeckt haben möchte, muss tief in die Tasche greifen: Um sich zum Beispiel ab 80 Jahren schon ab Pflegestufe 1 das Doppelte des gesetzlichen Pflegegeldes zu sichern, sind bei einem Einstiegsalter von 30 Jahren insgesamt 70.700 Euro, bei 70 Jahren 90.500 Euro (jeweils ohne Wertanpassung) an den privaten Versicherer zu überweisen.

15.000 bis 40.000 Euro für Stufe 3 oder 4

Aber auch für die übliche Einstufung ab 3 oder 4 ist die private Vorsorge kostspielig: Über die gesamte Laufzeit gerechnet beläuft sich die Summe aller Prämien je nach Eintrittsalter (30 bis 70 Jahre) und für die in der Tabelle angegebenen Leistungen insgesamt auf 15.000 bis mehr als 40.000 Euro, wenn man mit 80 Jahren pflegebedürftig wird – und das ohne Wertanpassung, das heißt, die Prämien und somit auch die ­Leistungen sind noch nicht an die Inflation angepasst.

Einmalzahlung überlegenswert ...

Wer in jüngeren Jahren einsteigt, zahlt deutlich niedrigere Prämien. Andererseits hat man mit 30 bis 50 Jahren noch andere Sorgen als an einen möglichen Pflege­bedarf im Alter zu denken. Hier könnten Einmalerlags-Varianten eine Option sein, wie sie mehrere Versicherungsunternehmen anbieten.

Statt jahrzehntelanger Monatsbeiträge zahlt man dann, wenn einen das Thema zu interessieren beginnt und auch absehbar ist, ob sich das finanziell überhaupt lohnt, sprich: wenn man genug Erspartes übrig hat, einmalig einen höheren Betrag auszulegen.

... bei späterem Versicherungseinstieg

So müsste etwa bei der Nürnberger Versicherung ein heute 60-Jähriger einmalig etwa 37.800 Euro für eine lebenslange Pflegerente von monatlich 1.000 Euro ab Stufe 3 bezahlen. Tritt der Pflegefall mit 75 Jahren ein, erhält der oder die Versicherte neben den 1.000 Euro Monatszuschuss etwa 12.000 Euro an ­Gewinnbeteiligung zurück.

Zum Vergleich: Die monatliche Prämienansparung hätte in diesem Fall bis zum Alter von 75 etwa 34.000 Euro gekostet, wobei hier "nur" ein Gewinn von zirka 3.000 Euro ausbezahlt würde. Prinzipiell gilt also: Je älter bei ­Vertragsabschluss und je später pflegebedürftig, desto mehr spricht für die Einmalerlags-Variante. Lassen Sie sich hierzu ­unbedingt beraten, um über alle Möglichkeiten (Einstiegsalter, monatliche versus Einmalzahlungen, Gewinnbeteiligungen, Nachversicherungsgarantie und viele sonstige Eigenheiten) Bescheid zu wissen.

Tabelle: Private Pflegeversicherungen

Prämien deutlich erhöht

Seit unserer letzten Erhebung 2014 haben sich die Prämien für eine private Pflegeversicherung enorm verteuert.

So verrechnet zum Beispiel Uniqa heute um bis zu 74 Prozent mehr Prämie als vor vier Jahren, Donau und Wiener Städtische bis zu 72 Prozent mehr, während die Leistungen nur um 4 bzw. 2 Prozent angehoben wurden; die Prämie bei Allianz stieg um 67 Prozent – bei null Leistungssteigerung.

Der Grund dafür liegt im niedrigen Zinsniveau: Die Versicherer müssen gesetzlichen Vorgaben entsprechend großteils sehr konservativ veranlagen. Das ist aus Konsumentensicht prinzipiell gut, weil das angelegte Geld so vor Spekulationsabenteuern geschützt ist.

Aus Renditesicht ist es aber schlecht, weil kaum mehr Gewinne bzw. Veranlagungserträge aus den Prämien generiert werden. Vor allem bei Einstieg in jungen Lebensjahren müssen die Versicherten bei unseren Prämienbeispielen nun zum Teil fast doppelt so hohe Prämien zahlen, um die gleichen Leistungen wie vor vier Jahren zu erhalten.

Lediglich die s-Versicherung hat die Tarife bei diesem Beispielfall gehalten und schneidet bei den Prämien – bei durchaus guten Leistungen – am günstigsten ab. Nur in Pflegestufe 6 und 7 liegen die s-Leistungen deutlich unter den Mitstreitern.

Sonderprodukt von Nürnberger Versicherung

Die Nürnberger Versicherung tanzt mit ihrem Angebot etwas aus der Reihe.

Zum einen durch ihr duales Beurteilungssystem: neben den gesetzlichen Pflegestufen wird auch ein Punktesystem für alltägliche Verrichtungen (sogenannter ADL-Katalog) herangezogen. Sollte es dabei zu einer abweichenden Einstufung kommen, gilt die für den Kunden bessere Einstufung.

Zum anderen wird bei Leistungseintritt neben der lebenslangen Rente von 1.000 Euro pro Monat (von Pflegestufe 3 bis 7 bzw. ab einem ADL-Punkt) eine Gewinnbeteiligung (siehe Prämienbeispiele) ausbezahlt.

Prämienbeispiele

Monatliche Pflegerente von 1.000 Euro (Annahme: Pflegebedürftigkeit ab 75 Jahren)

                    Prämie monatlich   in €   Prämie einmalig in € Gewinn bei monatlicher/einmaliger Einzahlung in €
30-Jähriger 73,88 34.620,48 18.095,–/52.649,–
40-Jähriger 93,97 35.652,57 11.965,–/36.166,–
50-Jähriger 127,55 36.710,50 6.811,–/22.904,–
60-Jähriger 189,07 37.833,83 2.843,–/12.232,– 
70-Jähriger 333,84 38.998,84 278,–/3.640,–

 

(Prämienzahldauer bis Endalter 85 Jahre)

 

VKI-Tipps

  • Teuer und eingeschränkt. Um die 100 Euro monatlich ab 50 Jahren sind viel für eine Versicherung, die für die Hälfte der Betroffenen nicht zahlt, weil sie meist erst ab Pflegestufe 3 oder 4 wirksam wird.
  • Kaum vergleichbar. Legen Sie Ihre persönlichen Schwerpunkte fest (ab welcher Pflegestufe, wie viel Prämie leistbar, wie viel Zuschuss gewünscht) und suchen Sie dann unabhängigen Rat. Trotz weniger Anbieter gibt es zahlreiche Ausgestaltungsmöglichkeiten.
  • Einmal statt jahrzehntelang. Wer sich in seiner Lebensmitte noch nicht entscheiden will, kann später auf Einmalvarianten zurückgreifen, die besser abschätzen lassen, ob und wie viel man sich leisten kann und soll.

Buchtipp: "Der Pflege-Ratgeber"

Der Pflege-Ratgeber, 2. Auflage

www.konsument.at/pflege-ratgeber

Etwa 450.000 Menschen beziehen in Österreich Pflegegeld, sind also auf Betreuung und Hilfe angewiesen. Ihre Angehörigen stehen vor der Herausforderung, deren Pflege zu organisieren. Doch welche Möglichkeiten gibt es? Kann der oder die Betroffene zu Hause betreut werden oder ist ein Heim die bessere Lösung? Wie findet man einen guten Pflegedienst oder das passende Heim? Wo erhält man Rat und Hilfe? Und schließlich: Was kostet das alles? Der "Pflege-Ratgeber“ unterstützt Betroffene und ihre Angehörigen bei allen Fragen rund um dieses schwierige Thema.

Aus dem Inhalt

  • Pflege organisieren und finanzieren
  • Unterstützung für Angehörige
  • Pflegegeld und private Vorsorge 
  • Pflegeheim und Heimvertrag 
  • 24-Stunden-Betreuung
  • Das neue Erwachsenenschutzrecht 
  • Sterbehilfe

320 Seiten, € 24,90 + Versand; ISBN 978-3-7093-0630-7

 

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Gesundheits- und Krankenpflege: Fehler vermeiden

Gesundheits- und Krankenpflege: Fehler vermeiden

Immer mehr Menschen brauchen Pflege. Vielfach wird diese durch pflegende Angehörige oder professionelle Pflegekräfte geleistet. Dabei gilt es, die Pflegemaßnahmen sorgfältig auszuwählen.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang