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Girokonten: Sollzinsen - Voll überzogen

Die Habenzinsen für Girokonten sind auf praktisch null Prozent gesunken. Umso interessanter die Entwicklung bei den Überziehungszinsen.

Für Guthaben auf dem Girokonto gibt es nur knapp über null Prozent Zinsen. Immer wieder ist sogar von Negativzinsen die Rede; bislang hat sich jedenfalls noch keine Bank in Österreich getraut, für Einlagen ihrer Kunden „Strafzinsen“ zu verlangen. Aber wie sieht es auf der anderen Seite des Kontos aus: Sind die Sollzinsen, die bei Inanspruchnahme des Überziehungslimits anfallen, ebenso stark zurückgegangen?

Sollzinsen im Verhältnis gestiegen

Nach Erhebungen des Zinsmittelwerts durch Arbeiterkammer und VKI beliefen sich die Sollzinsen 2008, also zu Beginn der Finanzkrise, auf durchschnittlich 10,17 %; 2014 lagen sie im Mittel noch immer bei 10,05 %, und aktuell sind es 9,5 %. Auf der Habenseite gingen die Zinsen von rund 0,7 % im Jahr 2008 auf aktuell 0,027 % im Mittel zurück. Das bedeutet, dass man 2008 bei Überziehen des Kontos im Durchschnitt das 14,4-fache des Habenzinssatzes zahlte, heute hingegen ist es das 352,5-fache. Wären die Sollzinsen im selben Verhältnis zurückgegangen wie die Habenzinsen, müssten sie heute theoretisch bei 0,39 % liegen.

Niedrige Sollzinsen bei Direktbanken

Reduzieren ist möglich

Das ist ein unrealistischer Wert, weil den Banken durch Liquiditäts- und Kapitalhaltungsvorschriften, durch Aufwendungen für Mitarbeiter, IT und Ähnliches Kosten entstehen, die sie auf den Überziehungszins draufschlagen müssen. Trotzdem gibt es klarerweise einen Spielraum, wie die zum Teil recht unterschiedlichen Reaktionen auf die allgemein gesunkenen Zinssätze zeigen.

Kleine Schuldner müssen zahlen

So hat beispielsweise die easybank ihre Sollzinsen von 9 % im Jahr 2008 auf aktuell 6,9 % reduziert; Erste Bank und Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien hingegen haben die Schuldzinsen sogar um mehr als 3 % erhöht (siehe Tabelle „Entwicklung Sollzinsen“). Da kann von einer fairen Zinssetzung wohl keine Rede mehr sein, bedenkt man, wie generös Banken immer wieder ihre Großkunden behandeln. Der Verdacht steht im Raum, dass der mangelnde Verhandlungsspielraum kleiner Schuldner ausgenutzt wird, weil ihnen beispielsweise zum Bezahlen der Miete keine andere Wahl bleibt, als das Konto zu überziehen.

Von 6 bis 13,25 Prozent

Zu den derzeit günstigsten Banken, was die Sollzinsen betrifft, zählt die ehemalige Hypo-Alpe-Adria-Tochter und jetzt in britisch-indischem Besitz stehende Austrian Anadi Bank mit 6 % beim Classic-Konto (siehe große Tabelle). Dafür bekommt man allerdings auch nur 0,01 % Habenzinsen und bei Überschreitung des Limits kommen 5 % Überziehungszinsen auf den Sollzins drauf – das ergibt beim teureren „Kärnten-Konto“ dann einen ordentlich hohen Überziehungszinssatz von 16,7 %. Vergleichsweise günstig – und auch für notorische Kontoüberzieher weniger riskant – fährt man mit den Direktbanken easybank, Hello bank! und ING-DiBa: Der Sollzins liegt bei 6,9 % und erhöht sich auch bei einer Limitüberschreitung nicht.

Entwicklung Sollzinsen

Zu den teuersten Girokonten zählen das Komfort-Konto der Volksbank Wien mit Sollzinsen von 13,25 %, das s Komfort Konto der Erste Bank mit 12,75 %, das Raiffeisen NÖ- Wien Konto mit 12,5 % und die Konten der Bank für Tirol und Vorarlberg, bei denen jeweils 12,25 % verrechnet werden.

Da hört der Komfort auf!

Richtig teuer wird es bei den genannten Banken, wenn man das Überziehungslimit überschreitet: Bei der Bank für Tirol und Vorarlberg fallen dann insgesamt 17,25 % an, beim Komfort-Konto der Volksbank Wien sogar stolze 18,25 %. 38 von 43 Banken schlagen für Limitüberschreitungen noch einmal 3 bis 6 % drauf bei jenen, denen keine günstigeren Möglichkeiten zur Kreditbeschaffung und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts offenstehen. Die Ergebnisse zeigen, dass es sich auszahlt, wieder einmal einen Blick auf die Kostenstruktur des eigenen Girokontos zu werfen und Vergleiche mit anderen Banken anzustellen.

Tabelle: Entwicklung Sollzinsen

Tabelle: Girokonten - Zinssätze und Kontoführungsgebühren

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